Gut und böse
Birgit fragte: „Wie domig soll/darf Dom eigentlich sein ?“
Fragen, wie etwas sein soll oder sein darf, sind
moralische Fragen.
Moral dient dazu, dem Menschen Leitbilder zu geben, gemäß denen er sich entwerfen und an dem er sein eigenes Handeln und Bewerten ausrichten kann.
Moral ist auch ein Mittel für eine Gesellschaft, sich selbst zu organisieren. Untergruppierungen einer Gesellschaft bilden oft ihre Gruppenmoral aus, um sich einerseits gegen den „Rest“ der Gesellschaft abzugrenzen, andererseits ein Kriterium für das Zusammengehörigkeitsgefühl zu haben.
Rennfahrer und Bungeespringer etwa definieren sich mit dem „Höher, schneller, weiter“ als Gruppe. Der heutigen Zeit sind so viele Wichtigkeiten abhanden gekommen, dass eben nur das schale „Höher, schneller, weiter“ bleibt. Dass dies heute so ist: dafür kann niemand etwas.
Menschen, die nach Moral fragen, sind meist von dem, was ist, verunsichert. Birgit nennt ihre Verunsicherung: sie sieht das „Höher, schneller, weiter“ der heutigen Zeit und kommt damit nicht klar, da sie einerseits spürt, man trägt den Anspruch an sie heran, ebenfalls im allgemeinen „Höher, schneller, weiter“-Spiel mitzuspielen, andererseits sie das aber nicht will.
Die Frage, so, wie Birgit sie stellt, impliziert eine Erwartungshaltung an uns, vielleicht gepaart mit einer Emotion der Empörung: „Nein,
das ist natürlich zu dommig, hier verlassen wir SSC, das gehört verboten!“
Moral ist ständig im Wandel, weil Gesellschaften und das Bewusstsein, das sie von sich haben, sich ständig wandelt und sie deshalb die jeweils herrschende Moral fortdefinieren, damit diese jeweils ihre stabilisierende Wirkung erhalten kann.
Insofern ist Birgits Frage sinnlos. Ausser sie zielte auf individuelle Betroffenheitsäusserungen, die aber wiederum nicht geeignet wären, Birgits Frage in der Allgemeingültigkeit, die sie in ihrer Frageform fordert, zu beantworten.
Wer wollte auch einem Dom vorschreiben, wie dommig er sich gebärden dürfte, wenn er mit seiner Sub, die sich ebenfalls so subbig gebärdet, wie sie Lust und Laune hat, glücklich ist? Und wenn er auf Grund des Masses seiner Dommigkeit sublos ist, wer verwehrte ihm seine Lust auf Unglücklichsein?
Dominanz eignet sich nicht als Thema moralischer Fragestellungen. Dominanz ist entweder eine Spielart des Ausdrucks sexueller Bedürftigkeit, und am Grad der intendierten Dominanz lässt sich wunderbar den Grad der Bedürftigkeit ablesen, oder sie ist die in der Persönlichkeit liegende Zug zur Herrschaft, und als Herrschaft wiederum jenseits der Moral. Herrschaft bedient sich der Moral, diejenigen, die nicht zur Herrschaft geboren sind, in Zaum zu halten.
Im Zweifelsfalle verschlingt Dominanz das Objekt ihrer Begierde, und steht danach, wenn nach einiger Zeit das Sättigungsgefühl abgeklungen ist, wieder hungrig und einsam da. Mitleid unsererseits ist nicht nötig. Aber auch kein Mitleid gegenüber dem verschlungenen Objekt – es schien ihm zu Zeiten doch zu reizvoll, sich verschlingen zu lassen ….
stephensson
art_of_pain