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Mars

**********hylen Mann
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Themenersteller 
Mars
Es ist ein entscheidender Unterschied, ob Menschen sich zu anderen als Zuschauer verhalten können, oder ob sie immer Mitleidende, Mitfreudige, Mitschuldige sind: Diese sind die eigentlich Lebenden (Hugo v. Hofmannsthal).

Szenerie im Straßencafé. Der erste Sonnentag eines Frühlings, der noch nicht so recht weiß, wie er daherkommen will. Drinnen stickige Luft nach einem verbrauchten Wochenende, also – draußen sitzen. Alex rutscht auf dem harten Bistrostuhl häufig hin- und her, mächtig in Schale geworfen und mein Verdacht, dass er sich diese Mühe bestimmt nicht für mich gemacht hat. Man kennt sich zu lange.

Alex ist so ganz anders. Doch eher so der Typ, von dem man behauptet, seinen Weg zu machen. War er immer schon und doch war´s schon bemerkenswert, über die vielen Jahre zu sehen, wie Mensch und Menschheit sich so entwickelt. Sah er auch so, auch wenn er nicht so viel darüber theoretisierte, sondern vielmehr in die zum Teil stundengreifenden Gespräche und Events immer mal so einen Nebensatz in erschreckender Klarheit raushaute. Wir nahmen die Veränderungen im Leben des anderen so mit dieser sprichwörtlichen Antenne auf, unserer zum Teil extremen Verschiedenheit in der Vita und der Sicht vieler Dinge bewusst. Trotz aller Verschiedenheit und der Entfremdung durch die Obligationen des Alltages waren die mehr oder wenigen Zusammentreffen nie Pflichtübung, wie es sich dann so oft in diese Sandkastenfreundschaften einschleicht.

Mit Alex konnte man Party machen und das nicht zu knapp. Immer im Vordergrund, so dass man sich schon mal als Beiwagenfahrer vorsehen musste, nicht unter die Räder zu kommen oder kotzend auf dem Klo vergessen zu werden.

Wir reden, handeln Allgemeinplätze ab und rauchen schweigend, ohne in die Einsilbigkeit abzugleiten. Alex ruckelt wieder auf dem Stuhl, aufpassend, sich nicht das teure Tuch zu versauen. Ich mustere seinen Boss-Anzug: „Mann - hast aber ´ne exklusive Verpackung aus dem Schrank geholt. Musst´ aber das Etikett vom Ärmel abtrennen. Sieht es doch so aus, als wenn Du den Anzug ausgeliehen hättest“. Keine Antwort. Alex blickt auf und winkt die Kellnerin heran. Neuer Vorstoß: “ Ich mein‘ nur- mit Orange-Label gewinnst du aber auch keinen Designpreis“. Alex grinst und hält den Daumen hoch. Sein Kopf dreht sich- neue Ablenkung. Auf der Straße und in den Sitzreihen kommt Unruhe und Heiterkeit auf. Eine Entenfamilie nutzt die Möglichkeit, im Nachmittagsverkehr seelenruhig die Straße zu überqueren. Fahrzeuge halten in gehörigem Abstand, Tempo-30-Zone halt. Alles im grünen Bereich. „Bist jetzt mit ´ner Bankerin zusammen, oder weshalb der edle Zwirn?“. Alex grinst: “Nee, ´ne Bankerin war diese Woche nicht dabei“…; Pause. “Wie-…diese Woche?“ Ich drücke meine Zigarette aus, während er sich genüsslich zurücklehnt. “Naja-hab mich ein bisschen ausgeklinkt. Kohle reicht und ich genieße das Leben“. „Okay“ sage ich mehr fragend. Alex lacht und beugt sich vor:“ Naja, das mit gestern…du ich weiß gar nicht, was für einen Beruf sie hat, aber Bankerin: Niemals!“

Mit dem Timing ist´s halt so eine Sache. Die Kellnerin steht schon seit einigen Sekunden mit gespitztem Ohr vor unserem Tisch, wartend auf eine Redepause. „Wollt´ Ihr die Karte oder nur ´was trinken?“ „Nee, nichts zu essen. Bin nur auf dem Sprung und ich habe heute noch etwas vor“. Alex grinst und ich ahne, dass er nicht direkt mit der studentischen Aushilfskraft sprach, sondern mal wieder eine Proklamation seiner Absichten in den Vordergrund stellt. Gut, denke ich, praktisch mehrere Fragen auf einmal geklärt. Alex ist halt Pragmatiker-passt, wenn´s denn nicht dann peinlich wird.

Alex beugt sich zur Kellnerin vor: „Was gibt’s denn bei Dir so Schönes?“ Einmal wieder einer dieser abrupten Themenwechsel war vollzogen, den man für die Meisterschaft des Smalltalks wohl immer in petto halten muss. Sie baut sich auf. Augenrollen und gelangweilte Aufzählung: „Naja…, Kaffee, Bier, Wein"...Sie schaut zur Seite. "Aber im Moment keinen Rotwein, Softdrinks…“; Pause- sie wippt auf den Absätzen, nichts mehr. Alex blickt kurz zu mir ´rüber und kneift die Augen zusammen. “Softdrinks- auch schon wieder so ein Modebegriff…-na dann nehm´ ich doch mal so ein schwules Mineralwasser!“ Bevor die junge Kellnerin etwas entgegnet, nimmt sie aus dem Augenwinkel amüsiert meinen genervten Gesichtsausdruck wahr. „Und der Herr?“ Leicht herausfordernd blickt sie in meine Richtung und ich denke: Nein- in die Kiste passe ich jetzt nicht! Also. Mein nüchternes „Haben Sie vielleicht Ginger Ale?“ nimmt Sie mit Befriedigung zur Kenntnis und kritzelt artig auf Ihrem Block. „Kommt sofort, aber Sie sehen ja, was hier heute los ist“. Wohl wahr. Sie zieht von dannen und die Aufmerksamkeit wendet sich wieder der Unruhe zu, die das Federvieh auf der Straßenkreuzung auslöst.

Ein junges Mädchen springt auf und versucht umständlich, einen Nachzügler der gefiederten Nachkommenschaft einzufangen und über die Straße zu tragen. Gänzlich vertieft, während Dutzende Zaungäste das Treiben billigend kommentieren. Alex und ich wenden den Blick ab und verschwenden lediglich einen spöttischen Gedanken darüber, wie früh doch das Federvieh in diesem Jahr mit der Brut ist. Das Geschnatter der Enten wird zunehmend von den unsicheren Kommentaren der jungen Lebensretterin mit den Zaungästen und deren Geschnatter überlagert. „Ah, Mist- das geht doch schief. Pass auf, Mädel!“ raunt Alex genervt. Ein unsicherer Blick zu mir: "Vielleicht zu heftig für dich, entschuldige. Aber du erinnerst dich an unseren Fischzug, als wir über deine Kreislaufprobleme sprachen?" "Ja klar,war ja ein ziemlich langer Abend". Ich wundere mich, dass er daran noch dachte, soviel,wie wir getrunken hatten. Er versuchte mich damals zur klassischen Lebensumstellung zu überreden, die ganze Nummer: Bewegung, Teilzeit, die Betablocker bereits gezückt. Ärzteblabla- so entfremdend und beleidigend angesichts des Umstandes, da einen vor sich zu haben, den man ziemlich gut kennt und absurd nach einer Flasche Methusalem. Alex holt aus: "Dein Gerede damals über den Zusammenhang von Kreisläufen des Lebens,dein Ausflug in das polytheistische Weltbild der Kelten mit dem sich ewig wiederholenden Zirkel von Entstehen und Vergehen- ich dachte erst, das wäre nur deinem Suff zuzuschreiben". "Ja...die Erneuerung und das Vergehen, eingebettet im Adrenalingewitter des Großstadtmenschen" lache ich und stocke: "Aber wieso kommst du jetzt damit her,wo du doch offensichtlich gerade in einem Meer von Leben eintauchst?" “Tja, mann- wir haben uns über den Winter ja so ein bisschen aus den Augen verloren. Hab in letzter Zeit einiges umgeswitched, will noch mal so richtig durchstarten, weißt´ du?“ Ich fahre ihm ins Wort:"Du bist doch eigentlich immer in Bewegung...".

Die Kellnerin erscheint und serviert genderlike die homophile Erfrischung und das Ingwergebräu. Alex nimmt hastig einen Zug und winkt mich zu sich heran. “Mir kam dann etwas später so in den Kopf, dass Du vielleicht gar nicht so betrunken warst". Ein fragender Blick von mir. Die Wolkendecke bricht auf und spendet Alex die ersten Bräunungseinheiten. Er beugt sich wieder vor: " Ey Mann, total geil im Moment. Am Freitag auf einem Event ´ne Autoverkäuferin klargemacht, die ganz spontan dann am Sonntag ihre Kollegin mitbrachte. Ich sag dir: Hammer! Und gestern..." Er scheint ganz woanders zu sein und so hake ich nach: “Naja- bist ja ziemlich abgetaucht. Und die Sache mit…wie hieß sie noch…egal- bist´ damit jetzt durch?“. Alex wird kurz nachdenklich. „Naja- hab halt den Winter gebraucht. Du hast ja einen Lauf, deinen Job, deine Sessions, deine Bücher…“. Pause. Ich: “So viel lese ich nun auch nicht mehr…zu viel Gleichlauf, Durcheinander, Divergenz“. Ich blicke ihm direkt ins Gesicht: „Dieses Gefühl des Definierens ist da wohl immer… Lauf hin- oder her“. Alex nickt: “Ja genau-kenne ich ja und weiß, worauf du hinaus willst, Mann. Ich wenigstens hab´ beschlossen, mir noch ´nen kräftigen Schluck aus der Pulle zu nehmen“. Ich nicke: “ Wäre konsequent, bei so viel Stillstand und diesem seltsamen Erkenntnis, jeden Tag immer ein bisschen mehr zu sterben“. "Hey- fang´ jetzt nicht wieder an mit dieser Allegorienummer- ist doch ein super Tag heute." Mir fällt beim Blick auf den Aschenbecher wieder ein, dass die meisten Ärzte, denen ich begegnete, eine ausgeprägte Neigung zur Kette hatten. "Nun,ich wundere mich und auch wieder nicht, wo Du nun täglich, ja stündlich mit der Evidenz des Todes konfrontiert bist". Alex nimmt den letzten Zug aus seinem Glas: „War mir schon klar, dass Du das auf Reihe kriegst. Die meisten verstehen ja nicht und holen dann den Moralprügel ´raus“.

Nächste Zigarette und im überquellenden Aschenbecher rumgestochert, um die brennende Glut des Vergangenen auszudrücken. Ein lautes Bremsquietschen durchbricht den Gedanken- die junge Tierretterin wird von einem Auto erfasst. Kreischen, Aufregung und kurz später eine lächerlich dünne Stimme aus dem off, die nach einem Arzt ruft. Ich blicke fragend auf und kassiere ein unterdrücktes Zischen: „Halt blos die Fresse, ich bin außer Dienst! Und überhaupt: Allenfalls ein paar Prellungen und eine Distorsion. Kleinkram!“ Sekunden später steht die Protagonistin wieder und hält triumphierend eine Hand mit einem Irgendetwas hoch, begleitet von Beifallskundgebungen. Vom Nebentisch eine weibliche Stimme: „Hauptsache, dem Küken ist nichts passiert“, was mich zur Bemerkung hinreißt: “Welches Küken bitteschön meinen Sie denn?“ Alex lacht, hält den Daumen hoch- eine Unsitte, die sich wohl vor allem in den letzten digitalen Jahren ausgebreitet hat. „Weißt du- die ganzen Jahre immer das gleiche Spiel mit nur leicht wechselnden Variablen, tagein, tagaus. Und wofür? Den Kessler hat´s jetzt im Dezember umgehauen- Herzkasper, absolute Arrhythmien, viermal reanimiert. Säuft jetzt aus der Schnabeltasse-und die Oberarztstelle ist ausgeschrieben“. „Na“, höre ich mich. „Für dich keine Option?“ „Nein, never. Bin jetzt in der Inneren, stressfrei und mit dem Raum auch für das, was wir beiden vielleicht irgendwann vor zehn, fünfzehn Jahren ad acta gelegt haben. Wobei ich immer das Gefühl hatte, dass du das nie so abgelegt hast wie einen alten Hut. Alter-weißt noch die tagelangen Sausen durch die Meile?“ Er lacht und auch bei mir ein abwägendes Grinsen. “Naja- war auch alles nicht so Gold wie´s glänzte. Hatte so schon seine Gründe…;“ „Klar doch- aber ich will aus dieser kategorisierten Nummer ´raus, Sackgasse. Ich will mich spüren, fremde Körper spüren, sehen, riechen, leben…!“ „Na-in der Chirurgischen hast Du doch genug mit Körpern in jeder Form und Beschaffenheit zu tun“. Unwillig verschränkt Alex die Arme. “Das ist doch ´ne ganz andere Nummer, oder?“ Er beugt sich vor und fuchtelt mit seinen Händen nach Ausdruck ringend. „Gerade Du- als ich im Oktober so am Arsch war, warst Du der Einzige, der mir da keine Sonntagspredigten hielt. Und als du mir dann ausgebreitet hast, dass das Leben Zäsuren bedingt ja fordert und ein selbstbestimmtes Leben auch ein Bekenntnis zu den Widersprüchen erfordert, da hat´s bei mir geklickt. Oder war das nur Gerede?“ Ich erinnere mich, indes nicht, von wem das Zitat geklaut war. Halt ´ne versuchte Rettungsaktion im Whiskytran, agitierend im Erfordernis, den Mut zum Handeln und der Fügung in den Dingen moralisch zu rechtfertigen. Alex trug das alles schon in sich, es musste nur noch sortiert und der Patient in die richtige Richtung gestupst werden. „Hat das bei Dir eine solche Wirkung hinterlassen?“ höre ich mich sagen und verfluche diese Frage im selben Moment. „Naja- so falsch gelegen hast du da vielleicht nicht.“ Er zwinkert und zieht den Rauch einer Zigarette genussvoll ein. Ich mustere ihn und tappe mal wider besseres Wissens in eine von seinen frisch ausgelegten Fallen. “Aber jetzt im Ernst- drei Frauen an drei Tagen? So etwas bringt doch keiner mit seinem Alltag unter einen Hut?“ Er grinst und zückt sein Smartphone. „Geht alles“. Funktioniert sogar im OP“; Ich schüttele den Kopf: „Schon krank, die Vorstellung, bei einer Varizen-oder Chlamydien- OP zu daten, aber passt ja zu Dir“. Er stimmt in das Lachen ein und stütz das Kinn auf seinen Händen auf. Die Kellnerin kassiert am Nebentisch. Alex setzt wieder diesen Blick auf, der meistens dann in einem Gelage, einer irgendwie anzeigepflichtigen Aktion oder einem Lokalverbot endete. „Du solltest mal auch wieder so etwas machen. Bestimmt dein Ding“. Ich schüttele den Kopf: „Weshalb auf fremden Körpern reisen, wenn dieser Ausflug doch nur in der Wahrnehmungswelt meiner Selbst gefangen ist?“ Alex stutzt einen Moment, atmet kurz ein. Bevor er antworten konnte, schwebt die Kellnerin an unserem Tisch vorbei, stoppt und ergreift den mittlerweile gut gefüllten Aschenbecher. “Noch ein schwules Getränk?“ Und zu mir grinsend: „Und bei Ihnen? Vielleicht einen Kaffee…- oder vielleicht einen latte“? Alle drei grinsen, Alex winkt ab und zeigt gleichzeitig auf seine Uhr. Sie zittert ab. „Auch nicht schlecht, das Kind, was meinst´- Mitte zwanzig vielleicht?“ „Alter-hör´auf…!“. „Ach ja-war nur Spaß. Mann-bist mit der Sache mit T. immer noch nicht durch? Wie lange ist das jetzt her? Musst ja nicht Jede gleich grün und blau schlagen“. „Nun-ich fahre gut damit, mir selbst und den Umgebungsvariablen nicht so über den Weg zu trauen, Festlegungen...; ist das ein Problem?“ „Nee klar doch, dieses ganze elitäre Gequatsche höre ich die Hälfte der Woche. Und die andere Hälfte mache ich jetzt MEIN Ding, passt!“

Die Kellnerin kassiert wortlos an anderen Tischen und ignoriert uns scheinbar. Alex gibt sein Gewinke in Richtung Kellnerin entnervt auf. “Ich schick Dir mal den link, Alter, ich muss los. Du wirst schon sehen“. „Ja klar doch. Wenn dann sich reinstürzen, dann bestimmt nicht als dein Beifahrer- den Triumph gebe ich Dir bestimmt nicht!“ Alex lacht: „Alter-dein Ding. Munition hast du genug! Weshalb nicht mal ein paar Pfeile verschießen? Du glaubst gar nicht, was DA los ist-es ist für jeden ´was dabei!“ „Eben“ hörte ich mich sagen und schweige. Er nimmt mein Zögern mit einem erwartungsvollen Grinsen auf, ging mir doch argumentativ tatsächlich die Munition aus. Er ahlt sich förmlich darin, stockend im Aufbruch. Ich ruderte mit den Armen zur Kassiererin und sie nickt. „Sich ausgeben bedeutet oftmals auch sich verschwenden, alles in der Währung Zeit“ werfe ich ihm zu, während er Anstalten macht, aufzubrechen. “Irgendwann kapiert doch jeder, dass der Weihnachtsmann nicht im Kamin stecken geblieben ist. Und das man für jeden Wunsch, der in Erfüllung geht, einen Preis zahlen muss.“ Alex nickt mir im Aufstehen zu: „Nomen est Omen, Alter- Passt mal wieder wie so oft. Bezahlst Du das mal hier? Muss jetzt echt los“. Er zwinkert mir beim Aufspringen zu: “Hab noch ´ne ganze Strecke vor mir, um ans Ziel zu kommen“. „Verstehe“ räsoniere ich: “Der Weg ist das Ziel. Na denn bon voyage und ´ne Handbreit Gummi unterm Kiel“. Alex´s Gesicht verzerrt sich zu einem massigen Grinsen, ein Handschlag und schon schwebt er über die Straße. Von der anderen Straßenseite winkt er mir nochmals zu und gestikuliert dazu sichtlich euphorisiert in eindeutigen Posen. Das Auditorium an den Nebentischen regt sich und ergießt sich in missbilligenden Kommentaren. Halt kein Federvieh in Sicht. Der Verkehr fließt…

Tage später flattert eine Mail von Alex ein. Mit Links, Anmeldedaten und gar zu offensichtlichen Empfehlungen zu Damen, die wie ich auch nur mal reden wollten, blablabla…; Arschloch! Ich frage zurück, ob ich die Mail löschen soll oder nicht, frage, weswegen einer meiner besten Freunde ein solches Sendungsbewusstsein an den Tag legt, wo doch manchmal Monate ins Land gehen, in denen man sich nicht sieht. Keine Antwort, nur zwei Wochen später ein link zu irgendwelchen Veranstaltungen kreuz und quer in der Republik und ein beschwipster Gruß irgendwo aus dem Osten. Bekloppter Kerl…

Am selben Tag auf einer quälend langen Terminfahrt nach Aurich schweben die ewig selben Bilder an mir vorbei. Häuser rechts, Bäume links, ein paar Kühen beim Scheißen zusehen. Fortbewegung und doch manifester Stillstand in Reisegeschwindigkeit. Erinnere mich dabei schlagartig an diese Nacht im Oktober, als ich Alex mit der Frage konfrontierte, ob sich das Leben im ständigen Kreislauf einer Dreifelderwirtschaft erschöpfen muss. Fressen, Schlafen, Arbeiten. „Meinst Du, dass das jetzt alles war?“ und ich entgegnete: “Wieso? Solange noch ein Gedanke zwischen deinen Ohren zuckt, ist da ja immer noch der Appetit nach mehr“.

Ich erwische mich dabei, mich zu fragen, wo sich dieser Kerl schon wieder ´rumtreibt und wundere mich, dass mich dieser Gedanke daran umtreibt und irgendwie beunruhigt. Typische Märzimpression, was soll´s. Auf meinem Nachttisch staubt seit Monaten eine Werkausgabe vom Jedermann vor sich her, in guter Gesellschaft mit Finnegans Wake, den mir Alex beiläufig in die Hand drückte:"Wohl eher dein Ding..." . Schafft man dann nicht, zu lange noch die Schatten des Winters. Ich breche die Gedankenfahrt ab, um auf der Landstraße mit 140 Sachen an einer endlos langen Fahrzeugkolonne vorbeizuziehen. Was ist das Leben schon ohne Wünsche, hatte ich Alex gesagt, wenn das Ausleben der Wünsche jedes Mal dieses ekelhafte Gefühl der Leere hinterlässt.

Der März ist dem Gott des Krieges und des Aufbruchs gewidmet, rüstend für die Zeit, wo auf den Schlachtfeldern des Lebens die Würfel fallen. Allein eine Frage der Schlachtordnung. Zum Kriege!
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