Mantis Religiosa

Es tut weh, schon wieder den Zug nehmen zu müssen. Als würden Lok und Waggons den Druck mitspüren, schlagen sie ein rasendes Tempo ein, als wollten sie meiner depressiven Stimmung auf diese Weise schnellst möglich ein Ende bereiten.
Der Zug rasselt und schleudert. Scheiben zittern, beben, klirren.
Unmöglich, dass meine Gedanken auf breiten Bahnen wieder in ein übliches Gespräch mit mir selbst zurück finden. Du hast etwas zu sehr Undefinierbares an dir, das nachwirkt. Eine Art Schreck einflößende Sicherheit seit Generationen ererbt, die mich immer wieder von neuem total aus dem Konzept wirft und die ich nicht kenne.
Wolken treten draußen vor die Sonne. Und graues Licht legt sich über die fächerförmigen Felder und Äcker. Die scharfen Schatten verflattern vor dem Abteilfenster.
Es ist, als halte die Natur erwartungsvoll den Atem an, als ich verstohlen dein Foto auf dem Handy betrachte.
Das Bild von dir ohne Kopf, damit kein Unberufener dich jemals erkennen kann. Aber auch damit ich dir sinnbildlich den spontanen, direkten Zugriff quasi von deinem Inneren zu meinem, von deiner Seele zu meiner, verwehre. Jede Form von Gedankenübertragung ausschließe.
Denn zumindest die Illusion vermeintlicher Freiheit ist mir weiterhin wichtig, die von Eigenständigkeit, die von Unabhängigkeit ...
Da reißt mich eine SMS von dir aus dem Trübsinn:
"Wusstest du," schreibst du, "dass Gottesanbeterinnen gleich zu Beginn der Paarung dem Männchen den Kopf abbeißen!?" ...