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Wir Singularitäten

Wir Singularitäten
Wir sind nach neuerer soziologischer Erkenntnis „Singularitäten“*. Auch bei der Suche nach Sex, auch beim Sex. Jeder und jede ist das Besondere, das umworben, erobert, gewürdigt werden will. Kunden mit goldener Kreditkarte des Lebens, auch wenn er oder sie nicht mit dem goldenen Löffel
in der Wiege geboren wurde und voraussichtlich auch nicht first class in die ewigen Jagdgründe eingehen wird. Dazwischen machen wir es uns gemütlich, richten uns als Singularitäten möglichst geschmackvoll ein.

Das gilt auch für das Liebesleben und das Beziehungsspiel, real ohnehin und in Joy sowieso. Singular ist der Lover, den nicht Jede bekommt, als sei der beseelte Schwanz bei Amazon oder Zalando zu ordern. Auch nicht die Gespielin für eine Nacht oder länger, die nicht mit jedem ihre Schweißperlen teilt, der an ihrer Haustür zweimal klingt und dessen Blick sie entnimmt, dass er jetzt ein Caffee to Go und mehr vertragen könnte.

Der Preis ist zu hoch und zu heiß. Singularitäten, die verkörperte Besonderheit, müssen sich gut verkaufen, um eventuelle Verlustgeschäfte der Biographie auszugleichen. Sie müssen sich inszenieren. „Mach was aus Dir!“, laute das Dogma, das Gesetz der Singularität. „Sei etwas Besonderes! Sie außergewöhnlich!“ Das Gewöhnliche stirbt schnell, weil es übersehen wird und unbeachtet bleibt. Das ist der kategorische Imperativ der Spätmoderne, dessen Arbeiter nicht mehr in lauten Maschinenhallen schuften müssen, sondern in klimatisierten Büros an getakteten Schreibtischen und bunten Bildschirmen. Wenn es denn gut gelaufen ist mit der Karriere.
Je interessanter die Singularität, die mehr ist als Individualität, um so besser die Aufmerksamkeit und um so größer die wirtschaftliche und soziale Rendite. Das Allgemeine, das Langweilige, das Banale und Gewöhnliche muss dazu „upgradet“ werden, aufgepeppt wie kostengünstige TV-Formate bei den Privaten. Der FKK-Urlaub also nicht an der Ostsee, sondern auf einer karibischen Trauminsel, wo sich schöne Menschen als Adam und Eva am paradiesischen Strand begegnen. Und alle gucken, ob es zum finalen Showdown kommt, natürlich noch jugendfrei. Nackt im Büro dagegen wäre zwar auch ein Tabubruch, aber auch irgendwie sehr übergriffig, aber auch langweilig, ein Fall für die Pornoindustrie, die alles inszeniert, nur nicht das Außergewöhnliche.

Das eigene Profil schärfen, das gehört zur egalitären Verkaufsfläche, die heute jedem im sozialen Netzwerk zusteht. Das Smartphone wird zum Körperteil kommunikativer Welteroberung, in der es sich zu behaupten gilt. Schneller sein als die Konkurrenz, das gilt nicht nur für Konzern, sondern auch für die persönliche Singularität: „Bin ich zu stark, bist Du zu schwach!“.

Neulich bat mich ein junger Mann, ihm ein Profil zu erstellen. Der junge Mann war kein schwieriger Fall. Ein ansehnlicher, durchtrainierter Körper, nur eine eben zurückhaltende, aber nicht aggressive und damit etwas langweilige Profilsprache, dem Textgenerator nicht unähnlich. Das Problem? Er hatte das durchaus zutreffende Gefühl, die „richtigen Frauen“ damit nicht ansprechen zu können, wusste aber nicht, wie man das anstellen könne. Also bat er mich um einen Text.
Ich verstand ihn nur zu gut, kam mir aber vor, wie der Dekorateur eines Kaufhauses, der das Schaufenster für die Weihnachtszeit herzurichten hatte. Das machte trotzdem Spaß, einen Profilstyl zu entwerfen, zumindest die werbetextliche Vorlage zu erstellen. Ich konnte mich in ihn hineinprojizieren, wie man das bei einem Marketingprodukt und dem Marketingkunden macht. Ich, der Ältere, der für eine Stunde in seinen Körper, seine Wünsche, Sehnsucht, Neigungen hineinschlüpfte wie in den Anzug eines Fremden, der sich für den guten Zweck verkleiden dürfte, um ihn neu zu erfinden für genau dieses abgezirkelte Schaufenster auf JOY. Das ist auch eine Lust. Frauen zu interessieren durch die Augen eines Fremden; das Cuckold des Marketings. Wäre er eine Frau gewesen mit ihrem Anliegen, ich wäre imaginativ-vaginal feucht geworden beim Schreiben. Manche Autoren bevorzugen weibliche Hauptrollen in ihren Romanen.

Manchmal müssen wir uns also die Singularität, das Besondere, ausleihen, um wieder unser ICH zu fühlen. Nicht nur rein äußerlich, sondern auch intersubjektiv verkleiden. Nur so entkommen wir zeitweise unserer eigenen Gewöhnlichkeit und unserer individuellen Banalität. Dafür wurden der Karneval und das Maskenspiel erfunden.

Aber wann hat das angefangen, sich selbst und dem Gewöhnlichen zu entfliehen? Wann die Scham, nichts Besonderes zu sein?

Waren es die Eltern, die uns wie gewöhnliche Kinder behandelten, weil da noch zwei oder drei Geschwister waren?
Waren es die Helden der Jugend, die über den Kanälen und den Allmachtsfantasien schwebten, die Kinder nun mal haben, um bald einzusehen, dass es nur ganz wenige schaffen, Stars zu werden?

War es eine Schönheit der Singularität in der Klasse, die uns als das Nicht-Besondere prominent ignorierte, wo wir doch so sehr wünschten, wenn nicht diese Klasse und Rasse zu haben ist, sein Freund oder ihre beste Freundin oder sein zu dürfen und unentbehrlich, also etwas Besonderes zu werden?

War es der Erwachsene, der sich mehr vom Leben erhoffte, als für gewöhnlich das Leben zu geben bereit ist? Und hat der Andere, die Singularität gegenüber, nicht immer Mehr und Besseres als wir selbst?

Das Leben ist schamlos. Aber natürlich schämen wir uns, nicht so schamlos sein zu können, aber auch nicht so sein zu wollen. Wir denken für uns und für andere mit, und wir sehen für andere, auch auf uns selbst. Banal ist es auch, dies zu leugnen.

Die einzige Gefahr, die der künstlichen Singularität droht, ist die reale Begegnung und ... die Liebe.
Die Liebe ist selbst eine Singularität, diese raffinierte, zuweilen schwachsinnige, die wir uns eigentlich nie leisten können, die gerade ungelegen kommt in unsere Selbstoptimierungsprozesse mit dem Schild an der Tür: „Bitte nicht stören!“ Sie gefährdet unsere Selbstprojekte und Selbstprojektionen, für die wir in der Regel vor unserem Lokal einen Rausschmeißer postiert haben, der alles abweist mit einem dreckigen Grinsen, dass nicht unseren Vorstellungen entspricht. Die Liebe kommt an ihn vorbei, frech, keck, fordernd, unverschämt. Sie ist das Besondere, das keine Rücksicht nimmt auf unsere Scham, nicht einmal auf unsere Tagesform. Sie ist in sich schon unanständig, wurde aber kulturell so überhöht, dass sie zur begehrtesten aller Singularitäten wurde und zur schrecklichsten. An ihr zerbrechen Wahnsinnige und Genies, hohe und hohle Geister, Verbrecher und Heilige.
Sie kostet uns nichts und dennoch alles. Und macht uns zuweilen zu Singularitäten, die wir nie sein wollten.

*Zu empfehlen: Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, Suhrkamp-Verlag, 480 Seiten.

©Dreamy2017
Alle Rechte beim Autor.
**********hylen Mann
1.141 Beiträge
Mal wieder eine Publikation zum Dauerbrenner „Singuralität“ in der Gesellschaft. Ob man nun die Gesellschaft als granulär definiert oder auf fliegenden Teppichen durch die Postmoderne rauscht- auffällig erscheint, dass sich vornehmlich (durchaus verdiente) Soziologen um das durchaus recht wichtige gesellschaftliche Phänomen dankenswerter Weise bemühen. Eigentlich seltsam, wenn man bedenkt, dass dieses thematische Substrat der Postmodernen zunächst Kernfeld philosophischer Betrachtung u.a. von Lyotard waren (gut, der is´ja nu´ nicht mehr…).
Manchmal müssen wir uns also die Singularität, das Besondere, ausleihen, um wieder unser ICH zu fühlen.
Hmmh…- es stellt sich die Frage, ob die Begrifflichkeit der Singulariät („das Besondere“…???) nicht einer begrifflichen Neubewertung zuzuführen ist. Das Singulum soz. als Atomos der Gesellschaft im positiven Kontext zu definieren, erscheint mir doch angesichts der Realitäten der Postmodernen eher ein erschreckendes Szenario. Das Individuum (und damit auch das in seinen Zweifeln und seiner Unzulänglichkeit gefangene Ich) hat abgedankt- es lebe das Singulum!
Wohlstand für alle- aber es wird gegessen, was auf den Tisch (bzw. dem elektronischen Warenkorb der postfaktischen Beliebigkeiten) kommt…
Drängt sich doch auf, dass sich unter dem Deckmantel der (scheinbar) größtmöglichen Freiheiten des zügellosen Konsumierens nichts anderes als die Fratze der Entsublimierung entblößt…
Bereits Herbert Marcuse (Marcuse, Der eindimensionale Mensch, 1967) argumentierte, dass die Unterbindung sozialen Wandels durch eine durch Technik vermittelte politische und geistige Gleichschaltung der Menschen für die fortgeschrittene Industriegesellschaft charakteristisch sei. Durch die Realität der Postmodernen falsifiziert prognostizierte Marcuse (für die postkapitalistische Gesellschaft), das Technik dann wohl so eingesetzt werden kann, dass sie die gesellschaftlich notwendige Arbeit, die durch den Menschen zu verrichten ist, auf ein Minimum reduziert und ihm ein höchstes Maß an Freiheit und Selbstbestimmung garantiert. Der Einsatz von Technik bedeute dann nicht Gleichschaltung, Manipulation und Ende der Individualität, sondern die Möglichkeit eines Wohlstandes für alle, eines "Daseins in freier Zeit auf der Basis befriedigter Lebensbedürfnisse" (Marcuse, 1867, S. 242).
Die Tragik im Fehlschluss Marcuses liegt wohl auch darin begründet, dass Marcuse die Anpassungs- und Modulationsfähigkeit der Technik und der kaskadierenden Wohlstandsgesellschaft in seiner Schaffenzeit nicht vorhersehen konnte. Es wäre für Marcuse sicherlich auch undenkbar gewesen, dass sich eine globalisierte Welt wieder zurück entwickelt zu einem Turbokapitalismus, welcher –anstelle ein theorethsich denkbares Sysem wachsener Gleichheit zu schaffen- in der Postmodernen eine Realität wachsender Ungleichheit schafft.
Ein durchaus fortwährender Fehlschluss, der nach wie vor reproduziert wird in den im Ergebnis unergiebigen und schlichtweg utopischen Diskusionen z.B. zum sog. bedingungslosen Grundeinkommen.
Die Singularisierung (in der Postmodernen) prägt sich indes nicht nur in einer zunehmenden wirtschaftlichen Ungleichheit der Lebensbedingungen aus, sondern auch in der Aushöhlung der Demokratie als politisches System einerseits sowie die Entfremdung des „Singulums“ von einer in einem Gemeinwesen eingebetteten demokratischen Identifikation.
Mir scheint, dass wir das Besondere (meiner Definition nach Individualität) verteidigen sollten, anstelle wir uns die Singularität, "das Besondere"(?), (ohnehin geliefert über intransparente streams, gadgets und Botschaften der 140…sorry nunmehr 280 Zeichen) ausleihen…
Die Liebe ist selbst eine Singularität,
q.e.d.! Singularität bedingt ein Empfinden intensiver Selbstbezogenheit rsp. die Fiktion (und im Ergebnis: Illusion) eines befreiten und in sich selbst ruhenden Ich´s. Liebe lebt m.E. aber auch gerade in der Erfahrung einer kathartischen Fremdbezogenheit, mithin dem Ausbruch des Ego´s aus dem Gefängnis seiner menschlichen Unzulänglichkeit.
Was sich derzeit intensiv ausprägt ist die Hoffierung eines künstlichen Konstrukts einer synthetisierten Freiheit, deren Reiz sich in reiner Ästhetisierung von Begrifflichkeiten wie Freiheit, Gleichheit…(und vor allem Brüderlichkeit) erschöpft. Eine Spielwiese für Influenzer, Marketingstrategen und Demagogen. Mittel zum Zweck, um unseren Blick zu vernebeln, was wahre und falsche Bedürfnisse sind…
Nun gut, alles vielleicht verträumte Reminiszenz…
Danke sehr @Anchises
*guterbeitrag*

Damit ist die Diskussion unter uns "Pfarrertöchter" der sapiosexellen Zunft offiziell eröffnet.

Ich habe allerdings Dein Beitrag nur schnell überlesen können - und werde ihn erst sacken lassen müssen, um ihn zu würdigen. Wir werden sehen, inwiefern der Begriff der Singularität die postmoderne Wirklichkeit überhaupt trifft. ...
Singularitäten, die Zweite ...
In der Tat muss der Begriff mehr geschärft werden, sonst geht er im Soziologendeutsch und im Hang der Deutschen, das Ganze wieder einzuebnen unter.

Andreas Reckwitz (= R.) macht das geschickt, indem er historisch die Zeit der Moderne als soziale rationale Organisation des Allgemeinen durch die Technologie und die Ökonomie seit dem 18. Jahrhundert darstellt. Alle Kunst der Politik, des Staates und der Ökonomie zielte darauf, den Mangelphänomen Herr zu werden, und sei es auch durch Krieg und Militarismus. Masse musste organisiert werden, dem Individualismus oblag der Kampf um Bürger- und Freiheitsrechte für die Masse, die Klasse und den Stand, die als soziologische Kategorien der Identifikation noch taugten. Nach den Massenkatastrophen des 20. Jahrhundert änderte sich das grundlegend und mit der Globalisierung und Technologieschub noch einmal gründlich. Im Rahmen dessen verliert übrigens auch der Begriff der Individualität seine Trennschärfe. War Individualität noch im 18. Jahrhundert gebunden an das Allgemeine von Klassenzugehörigkeit (Der Arbeiter, Der Bürger, Der Adel, Der Beamte, Der Soldat ... etc) und die Angehörigkeit in sich konsistent, so transformiert sich dieses ab der Mitte des 20. Jahrhunderts: die Mittelklasse wird durchlässig, die politischen Parteien schwimmen in der vielbeschworenen Mitte (z.B. können sich Sozialdemokratie und Christsoziale heute nicht mehr auf Ihre Traditionen berufen), diese Mitte ist auch nicht zu definieren ... usf.

Nun könnte man meinen, dass der Fortschritt im 20./21. Jahrhundert das Zeitalter der Individualität wäre mit den entsprechenden Freiheits- und Bürgerrechten und Verteilungsgerechtigkeit. In gewisser Weise ist es das auch, aber eben nicht gobal und ökonomisch. Für die Individualität eines kleines Teil der Menschheit vorrangig im Westen muss nach wie vor der größere Teil der Menschheit bluten. Was heute von den Unverbesserlichen geflissentlich ausgeblendet wird.

Insofern gebe ich Dir, @*****ses recht, dass das Problem der Gerechtigkeit noch lange nicht gelöst ist, ja sogar noch einmal besonders relevant werden wird im 21. Jahrhundert, und die Zeichen stehen im Moment m.E. dafür, dass wir eher die Fehler im 20. Jahrhundert wiederholen als dass wir daraus gelernt hätten. Die Gegenwart ist alles andere als ermutigend. Sogar militärische Optionen stehen wieder im Raum als seien wir vor 1914.

Individualität war gestern, was nicht heißt, dass das Allgemeine nun in seiner Durchsetzung wie in der Moderne obsiegt. Er ist vielmehr ein Hintergrundrauschen der Postmoderne, eine eher unsichtbare Macht des Mainstream, sozusagen eine Begleitmusik der Meinungen, der inszenierten Trends, der Lenkung in der Unterhaltungsindustrie, der großen Verarsche politischer Versprechungen, der Inszenierungen für ein breites Publikum, der Fütterungszeiten wie in einem Zoo, der Abfertigung in Callcenter und des geschickten Marketings der Firma Appel und der Ressourcenausbeutung des afrikanischen Kontinents. In diesem Rahmen findet die sog. Individualität statt, die nun nicht unbedingt an die Identifikation mit der Demokratie, dem Grundgesetz, einem Bildungswesen, einer philosophischen Haltung, einer nationalen Zugehörigkeit oder gar Institutionen gebunden ist, sondern an Trends, an Konsumangebote, Kulturen, Subkulturen, sexuelle, scheinbar sehr persönliche Neigungen, Fetischismen, die nur eines voraussetzen, die Pluralität und Vielfalt, die eine differenzierte Produktionsleistung hervor bringt, die unter starken Ressourcenverbrauch eines Teils der Menschheit, jeden Geschmack bedient. Und selbst der "blödeste Führer" widert jetzt seine Chance und ist wieder marktfähig.

Singularität ist Individualität unter heutigen postmodernen Bedingungen, die durchaus wiederum Ungerechtigkeit täglich produziert bis in die kleinsten Zellen von Gesellschaften hinein, seien sie nun offen liberal oder neoliberal restriktiv oder sogar jetzt wieder restaurativ und nostalgisch.
Wer also meint, seine Individualität bestehe darin, Markenklamotten zu tragen, das neuste I-Phone zu besitzen, den neusten Kick der Freizeit- und Touristikindustrie sich leisten zu können, eine eigene Meinung in Facebook zu tragen, stolz sein auf seine Nation ... der sollte sich auch klarmachen, dass seine Individualität nichts anderes ist als eine künstliche Filterblase, die andere, zumeist Konzerne, für ihn passgenau gestrickt haben unter Zuhilfenahme heute von Big Data und Rundum-Beobachtung. Dazu braucht es keiner Verschwörungstheorien, die ohnehin nie zutreffen, sondern die obskuren Produkte von medialer Vermarktung sind, die künstliche Blasen erzeugen um sie kommerziell und politisch auszubeuten.

Nebenbemerkung: Unsere Affektgesellschaft (Sloterdijk: Erregungsgesellschaft) ist auch ein Produkt der Singularitäten, die zumeist der Fokussierung und der Manipulation dienen als das gezielte Hinlenken auf Nebenschauplätzen. Hierauf hat sich der Journalismus spezialisiert, der es längst aufgegeben hat, Kohärenzen darzustellen und zu deuten, sondern den Mord von Herrn X im Kaff XY tagelang medial am Köcheln hält.

Hier einmal Schluss ... der Beispiele für Singularisierung der Gesellschaft wäre Legion, auch unter dem Aspekt des Verlustes der Erotik ... Bei Bedarf kann man noch darauf hinweisen.
**********hylen Mann
1.141 Beiträge
Kurzer (unzulänglicher) response...
Nun könnte man meinen, dass der Fortschritt im 20./21. Jahrhundert das Zeitalter der Individualität wäre mit den entsprechenden Freiheits- und Bürgerrechten und Verteilungsgerechtigkeit. In gewisser Weise ist es das auch, aber eben nicht gobal und ökonomisch.
Ich denke, der sich abzeichnende Widerspruch zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit zeichnet sich nicht nur in einem faktisch wahrgenommenen Fremdvergleich ab, sondern bereits systemimmanent in der westlichen (Wohlstands)gesellschaft.
Sofern die Ideale der französischen Revolution noch auf einen Gleichklang von Gleichheit und Gerechtigkeit abstellten, zeichnete sich doch bereits im Zeitalter der konkurrierenden Systeme im 20.Jhdt. ab, dass es durchaus Ausprägungen immanenter Gleichheit für eine breite Schicht von Bevölkerungsschichten auch in Autokratien möglich erscheint, in welchen dem Anspruch auf gleichförmige Gerechtigkeit und individueller Freiheit indes kein Raum gegeben war.
Demgegenüber scheint in der entideologisierten Nachkriegsgesellschaft im Huckepack zur Angleichung der Gleichheitswahrnehmung auch das Empfinden von Gerechtigkeit einer höheren Anspruchshaltung des Singulums zu begegnen. Eine Betrachtung, die bereits u.a. in den späten Schriften Adorno´s und Horckheimers oder auch in der frühen Sytemtheorie erkannt bzw. zumindest prognostiziert wurde. In dem Verhältnis, wie sich über eine Angleichung der Lebensverhältnisses (nivellierte Mittelstandsgesellschaft) ein noch nie gewesenes Maß an Individuation und Gleichheit eröffnet, offenbart die „Gleichmachererei“ beim Subjekt scheinbar ein Minus an (subjektiv wahrgenommener) Gerechtigkeit. Die Singularisierung führt in der Postmodernen zu einer Reizverstärkung dieses vornehmlich indididuell wahrgenommenen Mangels (man bemühe gerne die Floskel der „Gerechtigkeitslücke“). Ein Faktum, dass vielleicht u.a. die Entwicklung zum sog. „Wutbürger“ miterklären mag. Das hat i.Ü. Sloterdijk in seiner Abhandlung über die „Erregungsgesellschaft“ auch sehr treffend formuliert.
Trotz größtmöglicher Deckung der existenziellen Grundbedürfnisse fundiert sich eine neue Grenzwahrnehmung: Das parallel mit der Erkenntnis der Grenzen des Wachstums der Traum der Auftstiegsgesellschaft ausgeträumt ist und sich der postmoderne Mensch mit dem Faktum der Abstiegsgesellschaft konfrontiert sieht. Kein Theorem, sondern bereits seit mindestens 30 Jahren vorgelebt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Es spricht einiges dafür, dass das erlebte Faktum der Abstiegsgesesellschaft ein Erklärungsansatz ist, um auch die poltische Wirklichkeit und auch die- vordergründig für den Bewohner des alten Europa unverständlich- in den USA zu definieren.
Diese Entwicklung muss indes mittlerweise auch global verstanden werden, was sich im Anwachsen populistischer und vor allem auch der Rückorientierung der (politischen) Gesellschaften zu autokratischen Strukturen (Türkei, Ungarn,Polen etc…) ausprägt.
Zum anderen konkretisiert sich die Wahrnehmung der Globalisierung auch gerade in dem sensibilisierten Bewusstsein des Singulums, sich wesentlich intensiver mit der globalen Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Trotz der Tatsache von 70-jähriger Abstinenz eines Krieges in Europe sieht sich das Singulum in der inneren Erlebniswelt mit der Empfindung eines dauerhaften Kriegszustandes ausgesetzt. Was in der Infomationsgesellschaft nicht verwundert, kann man doch zugrundelegen, dass in China kein Sack Reis umfällt, ohne dass dies - zumindenst mittelbare – (oder, was noch schwerer wiegt: „gespürte“) Folgen für das Singulum in der westlichen Welt hat.
Individualität war gestern, was nicht heißt, dass das Allgemeine nun in seiner Durchsetzung wie in der Moderne obsiegt.
Singularisierung scheint sich m.E. noch tiefer gehender auszuwirken: Das Faktendenken scheint sich lösgelöst zu haben von einer sich persetierenden Homogenitätsempfindung des Individuums von gesellschaftlicher Wirklichkeit.
Die Gegenwart ist alles andere als ermutigend. Sogar militärische Optionen stehen wieder im Raum als seien wir vor 1914.
M.E. mit dem Unterschied, dass die die Schockwellen der digitalen Revolution nachhaltigere Auswirkungen auf Gesellschaft haben dürften als die Nachwirkungen der industriellen Revolution auf die gesellschaftliche Wirklichkeit des ausgehenden 19.Jhdts….
Unsere Affektgesellschaft (Sloterdijk: Erregungsgesellschaft) ist auch ein Produkt der Singularitäten,
Es scheint sich ein Prinzip der Wechselwirkungen ausgeprägt zu haben: Mir scheint, dass das Singulum zunehmend auch (Kunst-) Produkt einer Affektgesesellschaft ist. Sind wir Singularien wirklich so frei in der Gestaltung einer Affektgesellschaft?
@Anchises
*******s65:
Es scheint sich ein Prinzip der Wechselwirkungen ausgeprägt zu haben: Mir scheint, dass das Singulum zunehmend auch (Kunst-) Produkt einer Affektgesesellschaft ist. Sind wir Singularien wirklich so frei in der Gestaltung einer Affektgesellschaft?

In vielem stimme ich Dir zu. Vieles wäre nachzufragen und dann zu vertiefen. Allein das kann man hier auf Joy nicht, ohne in eine monologische Struktur zu verfallen.

Daher nur ein kurzes Statement.

Jener Autor Andreas Reckwitz beschreibt die Logik der Singularitäten als künstliche Gebilde, die von der Gesellschaft "fabriziert" werden. Nichts anderes als künstlich, hergestellt, gewollt, bemüht ist es - übrigens nicht nur Menschen sind Singularitäten, sondern auch Institutionen, Firmen, Bewegungen können dies sein, insofern sie "einzigartig" sind mit einem Anspruch der Einzigartigkeit und einem Programm. Dass sie meist gezielt mit Affekten arbeiten (Werbung! Populismus! Eliteversprechen!) ist klar und macht ihren Einfluss (und dann auch ihre Macht) aus.

Das Problem der Fakten (Fakes) ist nun: im Grunde genommen sind wir in eine Epoche eingetreten, in der Fakten und Daten zwar eine Rohmasse darstellen, aber keine Wirklichkeit generieren. D.h. ihnen wird die Darstellung der Wirklichkeit als objektiv erfolgreich abgesprochen; sie sind für die Mathematik, die Physik oder für die Erstellung der Statistik notwendig, aber nicht für die Herstellung von Leben, Sinngebung, Lebensgefühl (-Qualität) oder andere kulturelle Ereignisse. Nicht einmal für Politik (wie uns jeden Tag vor Augen geführt wird).

Diese Epoche ist eine der Blind - Gläubigen, die vorgeben, an nichts mehr zu glauben, aber jederzeit bereit sind für ihren singulären Glauben anderen die Köpfe einzuschlagen.
Ab singulum ad cingulum
Ich bin singulär.
Wie wun-der-bar! Endlich ein Etikett, dass meinen Zustand und mein spärliches Gemüt beschreibt. Jesus, Buddha, Marx, die Mär von der erträumten Gerechtigkeit - längst alle tot, nur olle Vordenker und Utopie. Stattdessen: Singularitäten zuhauf. Wo früher smarter Überbau bin ich jetzt selbst. Smartass mit Smartphone, Smartcar, Smarties und -wenn alles nicht mehr geht- Smartbomb. Wozu brauche ich noch Philosophen, Künstler, Politiker? Alles, alles, alles, so meine ich, haben wir doch schon durchdacht, gelebt, getan. Honecker hat abgedankt und der Dalai Lamai liefert mir höchstens den täglich Kalenderspruch ("Es gibt viele Fische im Ozean" - so ein Quatsch!), selbst der Papst hat jüngst schon einmal seinen Rücktritt erklärt, auf das Überkommene ist kein Verlass. Mein neuer Gott heißt Internet und ich nehme die Welt jetzt einfach alleine in die Hand. Diese Ding mit dem S, ... dieses Saponin, ... das mit dem Gehirn, das bin ich jedenfalls auch, besonders sexuell. Saponinsexuell. Ist einfach hygienischer. Nur eins muss klar sein: einseifen lasse ich mich nicht, von niemandem!

Bin ich elitär?
Auf jeden Fall, woher bezöge ich sonst meine Singularität? Sich abheben und abgrenzen, das muss schon sein. Frank Zappa? Bobby Brown? Kenne ich nicht, das war längst vor meiner Zeit. "I have a dream" [engl. amerikan.: "selbst Schuld, wer daran glaubt"], zum Politisieren habe ich meine Partei und mein Bitburger und wenn ich ein paar Hintergrundinformationen brauche, schaue ich eben bei Google nach (und bei der FAZ natürlich, denn dahinter steckt immer ein kluger Kopf) und bei der taz, weil´s besser für´s Gewissen ist, haben die gesagt. Und die blaue Mitgliedskarte der Schalker VIP-Lounge habe ich auch.

Bin ich zu schwer?
Bitte? Kochen ist eine Leidenschaft und gutes Essen auch. Ich verpasse keine Sendung, in der der Rainer Kalmund einen Auftritt hat und so viel wie der von gutem Essen weiß, weiß ich schon längst. Ich habe mir jetzt auch ein Sous-vide-Gerät gekauft, das Fleisch? Ich sagen Ihnen: butterzart und ganz einfach gemacht.

Bin ich prekär?
Das ist natürlich alles relativ. Prekär ... . Ist prekär negativ? Dann bin ich´s nicht. Mein iPhone und die Fluppen habe ich bis jetzt immer noch bezahlt, das wär´ ja noch schöner. Die Nachbarin, ja die, die gehört auch zu diesen Amorphen da, von denen die Statisten da immer erzählen, das wäre mindestens jeder sechste von 100 Prozent. Die soll mal arbeiten gehen, ich brauch´ das nicht, ich komm´ zurecht. Denn schließlich ist arm zu sein auch ein Recht, das mache ich freiwillig, euer Mitleid brauche ich nicht, da kann ich ganz fuchsig werden.

Bin ich cingulär?
Ja soll man da nicht zornig werden, bei so viel Unrecht in der Welt? Vor allem: verstehen tut das kein Mensch mehr richtig, die Etablierten machen sich nur noch die Taschen voll und unsereins? Der blonde da, den die getz inne USA gewählt haben, der mitten langen Schlips und der Selbstbräunervisage, der macht dat gut. Der zeicht den Leuten da vom Etablissement ´mal, wie dat geht und der Clinton sowieso. Und so einen bräuchten wir hier eigentlich auch, jetzt hatten wir ja gerade Jamaika dran und so. Jamaika, also ich hab´ die nicht gewählt und überhaupt, die verdienen alle viel zu viel. Da kann man auch mit ich sach jetzt ´mal hundert Abgeordneten zurechtkommen.

Bin ich fair?
Ja klar! Und wer is fair zu mir? Komm´ mir jetzt nicht so, Freundchen!

Bin ich visionär?
Wat ist denn dat!?
Singularität, die Dritte
*******ory:
Der Preis ist zu hoch und zu heiß. Singularitäten, die verkörperte Besonderheit, müssen sich gut verkaufen, um eventuelle Verlustgeschäfte der Biographie auszugleichen. Sie müssen sich inszenieren. „Mach was aus Dir!“, laute das Dogma, das Gesetz der Singularität. „Sei etwas Besonderes! Sie außergewöhnlich!“ Das Gewöhnliche stirbt schnell, weil es übersehen wird und unbeachtet bleibt. Das ist der kategorische Imperativ der Spätmoderne,

*******ory:
Singularität ist Individualität unter heutigen postmodernen Bedingungen, die durchaus wiederum Ungerechtigkeit täglich produziert bis in die kleinsten Zellen von Gesellschaften hinein, seien sie nun offen liberal oder neoliberal restriktiv oder sogar jetzt wieder restaurativ und nostalgisch.

*********hymus:
Ich bin singulär.
Wie wun-der-bar! Endlich ein Etikett, dass meinen Zustand und mein spärliches Gemüt beschreibt. Jesus, Buddha, Marx, die Mär von der erträumten Gerechtigkeit - längst alle tot, nur olle Vordenker und Utopie. Stattdessen: Singularitäten zuhauf.

Nun, ganz so einfach ist es mit Uns als Singularitäten nicht, - "der mit dem Dr-Titel"! Aber Danke für die ironischen Brechungen des Themas, die man sich als "Singularität" im Universum des Allgemeinen und bei JOY im Besonderen erst einmal leisten können muss.

Aber bevor Missverständnisse allzu sehr Fahrt aufnehmen, noch einmal einige Hinweise zum Thema.

Singularität hat nur peripher etwas mit Individualismus zu tun und ist alles anderes, nur eben kein Etikett, weder ein altes, noch ein neues.
Wo Individuum ist, soll im 21. Jahrhundert Singularität werden. Es genügt heute nicht, und das führt Reckwitz an zahlreichen Beispielen u.a. an den sozialen Medien und deren Logik aus, bloß ein "Individuum" zu sein, das man wie im 18./19. Jahrhundert dem Allgemein-Besonderen in die Masse einordnet und es z.B. in die Uniform steckte oder massenhaft an die Kanonen verfütterte oder zum preußischen Staatsbeamten ernennt. Solcher Individualismus, der sich über den Stand, die Uniform, den gesellschaftlichen Status definiert und sich nach Feierabend der Bürgerrechte im Verein zur Aufzucht und Hege des Teutschen Teckels freut, war wirklich gestern und kommt nie wieder - voraussichtlich!

Du bist zwar Individuum, aber darum noch lange keine Singularität. Singularität heißt heute, einzigartig zu sein und zwar aufgrund selbst erworbener sozialer Anerkennung von anderen, die Deinen Arsch bei Instagram oder bei JOY liken, und zwar nicht vereinzelt, sondern massenhaft und möglichst ausdauernd. Erst wenn Du als Original, das hier mit niemanden zu verwechseln ist, sozial anerkannt bist, bekommt Du das Prädikat der "Singularität" - zumindest medial. Also streng ein wenig an, dass die Leute Deine Beiträge lesen und/oder schreiend davon laufen! Denn Singularität als Promi-Person zielt auf Affekte, gleich ob positiv oder negativ. Ohne Affekte (oder Erregungspotentiale), die mit Deiner individuellen Persönlichkeit in Verbindung gebracht werden und mit Deiner Fähigkeit zur Kreativität (!) keine Singularität.

Es genügt also durchaus nicht, sich hier hinzustellen und zu behaupten: "Ich bin ein "Berliner", äh ... Individuum". Das ist nicht sehr original und schon gar nicht einzigartig. Davon gibt inzwischen über 4 Milliarden auf der Erde, und gefühlt noch mehr Arschlöcher in Berlin.

Dazu brauchst Du nicht elitär, cingulär, prekär, schwer, fair, visionär oder sonstiges Gedöns zu sein, sondern ein Selfie mit dem Phone hier eingestellt kann schon genügen, wenn eine Anzahl von Leuten Dich bewundern und möglichst jeden Tag Deine Erscheinung sehen wollen - und hunderte von Frauen mit Dir die Nacht zu verbringen sich anschicken. Du musst es halt nur in Deiner einzigartigen Genialität gut inszenieren, d.h. Singularität produzieren . Ein Etikett oder EDIKA-Kette ist das nicht, sondern mit Arbeit verbunden, die einzige übrigens, die Aufmerksamkeit generiert (das Kapital des 21. Jahrhundert) und damit sozialen und materiellen Profit.
Viel Glück dabei!
It´s me!
*********ld63 Frau
8.115 Beiträge
Zunächst mal Respekt und *hutab* vor deinen Ausführungen, https://www.joyclub.de/my/4034132.dreamstory.html und der interessanten Diskussion hier. *spitze*

Als kompletter Newby, was den Begriff und die Thematik angeht, möchte ich ein Zitat aus deinem letzten Beitrag heraus greifen:

Singularität heißt heute, einzigartig zu sein und zwar aufgrund selbst erworbener sozialer Anerkennung von anderen, die Deinen Arsch bei Instagram oder bei JOY liken, und zwar nicht vereinzelt, sondern massenhaft und möglichst ausdauernd.

(...)

Dazu brauchst Du nicht elitär, cingulär, prekär, schwer, fair, visionär oder sonstiges Gedöns zu sein, sondern ein Selfie mit dem Phone hier eingestellt kann schon genügen, wenn eine Anzahl von Leuten Dich bewundern und möglichst jeden Tag Deine Erscheinung sehen wollen - und hunderte von Frauen mit Dir die Nacht zu verbringen sich anschicken. Du musst es halt nur in Deiner einzigartigen Genialität gut inszenieren, d.h. Singularität produzieren (...)

Danke für die Erklärung!

Der Sinn dahinter erschließt sich mir allerdings nicht, vor allem dann nicht, wenn Singularität eine Steigerung der Individualität sein soll, dazu noch im positiv wertenden Sinne gemeint ist.

Warum, in aller Welt, sollte ein halbwegs intelligenter Mensch Singularität anstreben, wenn diese darauf beruht, dass möglichst viele, ihm völlig unbekannte User ihn liken für eine Sache, die weder Sinn noch Zweck noch Verstand hat? *hae*

Into, verwirrt *nixweiss*
@Intothewild
Das beantwortet sich leicht.

Singularitäten sind zunächst einmal wertfrei aus sozilogischer Sicht. Entweder sind Subjekte/Objekte, Dinge, Räume und Zeiten Singularitäten, also Einzigartigkeiten, auch als Individuen, oder sie sind es nicht. Ob das Sinn macht, ist nachrangig. Warum?

Weil der Faktor "Aufmerksamkeit", Wahrnehmung, Anerkennung (positiv oder negativ), Würdigung, Spaß an der Erscheinung oder andere Affekte über das Phänomen der Singularität entscheidet, quasi über sie abstimmt, ob Du nun als Original giltst oder als "Kopie" einer Persönlichkeit. D.h. die anderen werten, Du nicht - oder Deine Eigenwertung geht in die Rechnung und den Status nicht ein.

Insofern ist Singularität nicht einfach eine Steigerung der eigenen Individualität, sondern eine qualitative Neuerfindung, kreative Neudarstellung oder sogar Selbstdefinition (also eher mit einem Kunstwerk zu vergleichen), die den Sinn hat, sich aus dem Allgemein-Besonderen (Individuum!) heraus zu heben. Intelligente Menschen machen das, um z.B. ihre Firma zu gründen, eine begehrte Arbeit zu bekommen, den Traumpartner oder einfach nur "ihr Ding durchzuziehen". Sie müssen sich dazu der sozialen Logik zumeist westlicher Gesellschaften anpassen, egal ob sie Unternehmer, Künstler, Schriftsteller, Designer, Therapeuten, Mediziner oder selbständige Handwerker sind. Damit generieren sie u.a. ihren Lebensunterhalt, wenn es gut läuft, ihren Reichtum oder ihren Sinn.
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Da bleibe ich doch lieber individuell, statt mich auf singulär zu steigern *g* .
Das kann man auch heute ab einem gewissen Status und Alter halten, wie das Zwerchfell lustig ist, @**RO.

Jüngere können diese gesellsvhaftliche Bewegung nicht so prominent ignorieren, wollen sie aktiv ihre Zukunft gestalten und ihre Freiheit behalten oder gar erweitern.
"Was haben Sie denn Besonderes einzubringen auf dieses Stelle, was haben Sie nebenbei Einzigartiges gemacht?" Fragte der Personaler.
"Die 3. Fremdsprache gelernt ..."
"Danke, hmmm ... Sie werden von uns hören!" Und wuuuuutsch ... War er draußen. Und zwar ganz individuell.
Wie beurteilt Herr Reckwitz die Situation, wie wir sie heute z. B. in China vorfinden oder in anderen Bereichen des asiatischen Kulturkreises, z. B. in der japanischen Bankenwelt, wo das MITI alles und allmächtig, das Individuum aber gar nichts und das Unternehmen austauschbar ist? Austauschbar? Ja, der einzelne Angestellte identifiziert sich mit der Firma und gibt alles für das Kollektiv. Steuert seine Bank in den Ruin, verliert er seinen Lebensunterhalt und seinen Arbeitsplatz, die Chance auf eine Neuanstellung bei einer andern Bank mit einer Vita, die auf den Konkurs des vorherigen Arbeitgebers verweist ist nahe Null. Zumindest beruflicher Erfolg ist dort gekoppelt an Anpassungsfähigkeit für das Kollektiv.

Vergleichen wir die Erziehungsziele einer amerikanischen Schule (Kinder hervorzubringen, die von sich selbst überzeugte, aggressive, konkurrenzfähige und persönlich erfolgreiche Individuen sind, deren soziale Einstellung und Verantwortung zweitrangig ist) mit denen einer chinesischen Schule (Kooperation, Vertrauen auf die eigene Kraft und Gleichheit vor dem Kollektiv, die persönliche Freiheit nicht zwingend ausschließen muss). Wo wird das einzelne Individuum länger erfolgreich und zufrieden sein? Was stark nach dem Hohelied des Kollektivismus und Sozialismus klingt ist in Wahrheit das in meinen Augen am wahrscheinlichsten überlebende Gesellschaftsmodell. Ich sehe darin eine ernstzunehmende Konkurrenz zum singulären "Lebensplan" oder ist das asiatische Kollektivmodell in Reckwitz Augen nur eine Vorstufe zur auch dort zu erwartenden Gesellschaft der Singularitäten (für die natürlich viel zu wenig Ressourcen zur Verfügung stehen)?

Wird der Singuläre, der sich zum russischen Oligarchen hochgejubelt hat nicht so lange vom nächsten und absoluten Politoligarchen geschluckt, bis eine "Marktbereinigung" die Zahl der Singularitäten auf wenige, die Unverschämtesten und Hartnäckigsten, reduziert? Sind die Foxconns, Samsungs und letztendlich auch Apples und Googles der Welt nicht die einzig wahren Singularitäten oder einfach auch nur etwas größere, neue Autoritäten des alten Stils, die die Orientierungslosigkeit und Beschränktheit der breiten Masse marketingtechnisch geschickt ausnutzen?

Ist der neu aufkeimende Nationalismus und die Identifikation mit einem irrationalen "mir san mir"-Gefühl ein Zeichen der Rückkehr zur altbekannten Unterordnungsmentalität oder ein letztes Aufbäumen der Singulären bevor der Weg in die (weil nie aus alten Fehlern lernend) kollektive Selbstzerfleischung führt? Ich gebe zu: im Moment ist die perfektionierte Singularität (Beispiel IT-Girl, kann nix, hat aber viel Erfolg) ein erfolgreiches Geschäftsmodell, zumindest in der westlichen Welt, doch nutzt der Effekt sich merklich ab und findet man wirklich in diesem Modell Zufriedenheit?
**********hylen Mann
1.141 Beiträge
Mir scheint...
...das wir gar nicht mehr gefragt werden, ob wir Singularitäten sein wollen.
Ein wesentlicher Aspekt des postmodernen Menschen scheint auch, das das Individuum zunehmend die Bedeutungshoheit über seine Singularität zu verlieren scheint.
Über die technischen Möglichkeiten der virtuellen Welt unterliegt das Individuum mannigfaltigen Möglichkeiten der subtilen Beeinflussung. Genug payback-Punkte gesammelt, um dann festzustellen, dass das jahrelang im Supermarktregal Vorhandene ausgelistet wurde. Und man fragt sich, wieso dort andere Artikel weitab der individuellen Ziel- und Zweckgebung auftauchen. Was, kein Fratzenbuch-account???...- man/frau ist irgendwie aus der Welt, nicht Bestandteil der Maschinerie und scheinbar ausgegrenzt von gesellschaftlicher Teilhabe.
Ganz abgesehen von den sog. "personalisierten" Wahlkämpfen, Medienkampagnen...
Der Reiz des Singulären erschöpft sich auch in der Marktfähigkeit des Einzelnen...und so erstreckt sich die Wahrnehmung gesellschaftlicher (Schein)freiheiten zunehmend in eine ausgedeutete Identität.
Wenn man so will, erschöpfte sich das Aufbegehren des Individuums in der industriellen Revolution gegen die Ausbeutung. Das Problem des postmodernen Menschen liegt wohl in der Gefahr der restlosen Ausdeutung.
Das Singulum heute...schon durchleuchtet für das morgen...
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