Teil 2
Cody wohnt wie ich in einer ein-einhalb-Zimmer Wohnung. Wohnzimmer, Küche, Bad und ein kleiner Raum mit einem Bett und einem Kleiderschrank. Die Einrichtung ist nicht gerade aufeinander abgestimmt, aber trotzdem stilvoll und vor allem einzigartig. Man merkt, dass ein Gothic in den Räumen zu Hause ist. An den Wänden sind einige Fotografien vom Welt-Gothic-Treffen in Leipzig, auf dem Fensterbrett steht eine Hanfpflanze.
“Hey, ich dachte, du bist Gothic.” Ich streiche über die gefächerten Blätter. “Wieso baust du dann Hanf an?”
“Hat mir Red geschenkt, weil sie ihm fast eingegangen ist.”, erwidert Cody. “Hab mir gedacht, dass ein bisschen Grün nicht schaden kann.”
“Hast du auch wieder Recht. Ahm...wo hast du denn dein Bad?”
“Direkt gegenüber.”
Ich verlasse das Wohnzimmer und gehe ins Bad. Nachdem ich die Türe hinter mir geschlossen habe, sehe ich mich um. Es ist eigentlich ganz normal, Toilette, Dusche, Waschbecken und ein Spiegel mit einem Sprung am Rand. Ich muss grinsen. Ich habe auch so einen Sprung im Badspiegel, der sogar ähnlich verläuft. Nachdem ich mir die Haare gekämmt und den Lidstrich nachgezogen habe, überlege ich, ob ich vielleicht noch einen heimlichen Blick in das Badschränkchen werfen soll. Meine Neugierde verliert letztendendes, weil ich Cody nicht ausspionieren will. Es geht mich einfach nichts an.
Als ich aus dem Bad komme stolpere ich und ein schwarzes Etwas rast fauchend ins Wohnzimmer.
“Keine Panik, ist nur meine Katze.”, kommt Codys Stimme aus der Richtung, in die das Vieh gerannt ist.
“Wusste gar nicht, dass du eine hast.”, bemerke ich und setze mich aufs Sofa.
“Ich hatte sogar mal ein paar Fische.” Cody stellt eine Flasche Wasser und zwei Gläser auf den Tisch vor mir und hockt sich neben mich. “Die sind aber eingegangen, weil ich immer vergessen habe, sie zu füttern...”
“Ist ja makaber ...”
Die Katze springt aufs Sofa, legt sich auf Codys Schoß und reibt ihren Kopf schnurrend an seinem Bauch. Mit sanften Fingern krault er ihr durch das nachtschwarze Fell. Ich wünsche mir plötzlich, diese Katze zu sein, einfach nur noch seine Hände zu spüren.
“Das ist ein Leben, oder?”, bemerke ich, in der Hoffnung, dass Cody meine Anspielung versteht. “Den ganzen Tag schlafen und dabei noch gekrault werden...”
“Sag bloß, du wirst eifersüchtig?” Er grinst vor sich hin und streichelt seiner Mieze den Bauch. Ich verwerfe Vorstellungen und Fantasien, die durch meine Gedankengänge jagen, und erwidere:
“Ein Bisschen vielleicht...” Ich drohe, rot zu werden. Schnell wechsle ich das Thema. “Kann ich mal kurz telefonieren? Weißt schon, muss meinen Eltern Bescheid sagen.”
“Sicher.”, erwidert Cody.
Ich greife nach dem schnurlosen Telefon, das auf dem Tisch liegt, stehe auf und wähle die Nummer meiner Eltern.
“Ich mach’s auch kurz.”, meine ich, aber Cody wehrt nur ab.
“Rede so viel du willst, macht einen guten Eindruck bei Eltern.”
Sobald meine Mum am anderen Ende der Leitung ist, fange ich an, durch Codys Wohnung zu wandern. Ich gehe beim telefonieren immer herum, weil ich einfach nicht still sitzen kann, wenn ich mit jemandem durch die Leitung quatsche.
“Hallo Mum, verzeih mir, wenn ich so spät noch anrufe.”
“Ist schon gut, Schatz, wir sind noch wach und sitzen mit unseren Schwimmkollegen zusammen. Was gibt es denn?”
“Ich wollte nur sagen, dass ich morgen später komme. Ich weiß noch nicht, wann genau, ein Kumpel fährt mich.”
“Das muss doch aber nicht sein, wir bezahlen dir doch auch die Fahrkarte...”
“Mum, das ist mit ihm schon so ausgemacht.”
“Na dann ist ja gut. Ich muss dir noch was erzählen, jetzt, wo du schon einmal anrufst...”
Sie beginnt zu tratschen, während ich zurück ins Wohnzimmer gehe und mich mit angewinkelten Knien neben Cody lege, der immer noch die Katze streichelt.
“Mum, ich müsste langsam mal Schluss machen.”, meine ich irgendwann. “Du weißt schon, die Telefonkosten sind doch wieder gestiegen...”
Ich lege meine Beine auf die von Cody. Die Katze hebt den Kopf und springt auf meinen Bauch. Ich zucke zusammen und lege meine freie Hand auf das weiche Fell. Die Katze krabbelt meinen Bauch nach oben und zerkratzt meinen Hals.
“Und weißt du, Kind, das war vielleicht ein Ausflug. Ich erzähle dir das noch schnell...” Meine Mutter kommt einfach nicht zum Ende und ich versuche, die Katze wegzuscheuchen, die es sich auf mir bequem gemacht hat und mir die Krallen ins Dekoltee schlägt. Cody kommt mir schließlich zur Hilfe, legt sich halb auf mich, schubst die Katze weg und sieht mir in die Augen.
“Mum...ja das ist wirklich lustig, ja. Ich lege jetzt auf, Mum.”
“Also dann bis morgen, Schatz!”
Cody streicht mit zwei Fingern sanft über die Kratzspuren auf meiner Haut.
“Alles klar, grüß Papi von mir. Bis Morgen.”
“Bis Morgen!”
Ich drücke erleichtert den roten Knopf und lege das Telefon auf den Tisch zurück.
“Deine Katze ist brutal.”, bemerke ich mit leiser Stimme.
Wir sehen uns an, Cody hat seine Hand zart an meinem Hals. Ein Kribbeln macht sich in meinem Bauch breit. Zögernd streicht er mir über die Wange, das Kinn herum und auf der anderen Seite nach oben, bis zu meiner Stirn. Ganz leicht sind seine Berührungen, er fürchtet wohl, dass ich ihn abwehre. Aber ich rühre mich nicht, blicke nur weiter in seine wunderschönen dunklen Augen, versinke tief in ihnen. Ich lege meine Hand zaghaft um seinen Nacken und ziehe Cody langsam zu mir hinab. Ein letzter Blick in seine Augen, bevor er sie schließt und unsere Lippen sich berühren.
Es ist ein sehr zarter Kuss, verhalten und scheu, aber unheimlich gefühlvoll. Kein Fordern, nur unendliche Zärtlichkeit. Das Kribbeln in meinem Bauch wird zu einem verlangenden Ziehen, ich fahre mit meinen Händen über Codys Wirbelsäule, spüre seinen angespannten Rücken unter dem Stoff seines T-Shirts.