Für Euch exklusiv ...
Jetzt mal meine Verführungsgeschichte. Ich will ja nicht hintendran nur doof gefragt haben, gell?
Der Montagsmann – Jahreszeiten
Sie kennen sich schon seit Ewigkeiten, da sind locker flockig 20 und mehr Jahre ins Land gegangen, aber irgendwie nur so am Rande. Entweder blieb er in der Peripherie oder sie, die Unterhaltungen kurz aber durchaus flirtig, die Blicke immer ein bisschen geladen.
Er hat ihr immer gefallen, daran gibt es keinen Zweifel, aber die Augenblicke des Aufeinandertreffens passten halt nicht, immer nur so Beaudelaire-Momente „An Eine, die Vorüberging“, bloß ging er meist vorüber und sie schaute dann und wartete „auf den Blitz und dann Nacht und Lust, die tötet“ so ähnlich jedenfalls … Nicht ganz richtig aber passt
Augen, die sie normalerweise als Baby-Blues einstufen würde. Harmlos, scheinbar, ganz klar, freundlich auch und neugierig, also viel zu harmlos eigentlich für ihren Geschmack. Immer einer, der vorüberging. Bis auf einen Sommerabend, irgend so ein Fest, wo man sich halt zwangsläufig mal wieder über die Füße stolperte. Der Sommer tat wirklich sein bestes, um sich optimal zu präsentieren, Luft flimmert über dem Asphalt, die Damen sind leicht gekleidet, die Herren ein wenig wilder, nach dem dritten Bier auf jeden Fall.
Sie war an dem Abend eher in offizieller Funktion unterwegs, da hätten wir dann für die Optik ein knappes Lederkleid und Heels anzubieten, das weniger neckische Festivalarmband zumindest halbwegs frivol am linken Fuß befestigt. Das hatte praktische Gründe, die Arme waren mit Manschetten geschmückt, da hätte so ein Bändchen doch eher deplatziert gewirkt. Mitten im Gewühl stand er dann plötzlich vor ihr, diese Baby-Blues ganz elektrisch und sie kann sich nicht mehr erinnern, wer genau gesagt hat, dass man sich jetzt einmal endlich küssen möge. Musik wummert noch von außen auf die Gehörgänge, dann eigentlich gar nichts mehr, denn manche Menschen kommen im Kuss so zueinander, dass eigentlich keine weiteren Fragen mehr offen sind.
Ein halber Kuss zunächst, vorsichtige Annäherung und dann war es, als ob zwei verschiedene Stromkreise plötzlich zusammengeschlossen sind und nur noch dieser Moment existiert. Sie hätte ewig weiterküssen mögen, fing an ihm ins Gesicht zu beißen, hungrig. Und dann dieser unglaubliche Moment, wo der Verstand einsetzt und sagt: nee Mädchen, du bist erstens offiziell hier und zweitens in Begleitung … Das gibt es gar nicht, dachte sie, löste sich widerstrebend und nahm dem Mann mit den unglaublich blauen Augen das Versprechen an, das Begonnene irgendwann einmal fortzusetzen.
Das elektrische Lächeln war freundlich und zugleich ein wenig boshaft: wann immer Du willst …
Am Willen liegt es nicht immer, manchmal machen einem Zeit und Umstände einfach blöde Striche durch sorgfältig angelegte Rechnungen. 11 satte Jahre später dann (neben üblich sporadischen Kontakten) eine Nachricht von ihm: ich möchte dich sehen. 11 Jahre, in denen er und sie sich verändert haben, nicht nur äußerlich, auch gewachsen und möglicherweise gereift oder aber total albern geworden sind. 11 Jahre Geschichte, die aufzuholen wäre, wegen eines Kusses in einer heißen Sommernacht … Unter Freunden geht das, aber sind sie Freunde? Den Peripheriegedanken schiebt sie kurzentschlossen beiseite, das ist eine jetzt-oder-nie-Geschichte. Und Küsse verändern sich doch nicht so sehr? Wenn dieser Kontakt noch funktioniert, dann müsste auch der Rest wieder mit jener sommerlichen Leichtigkeit zu stemmen sein.
11 Jahre, so stellt sie beim Wiedersehen fest, haben zweierlei Widerhaken. Der Kuss, oh der funktioniert, aber mit der Geschichte und dem Wiedersehen ist es eben manchmal nicht so einfach. In der Hälfte des Nachmittages finden sie ein Schweigen, das auch tragbar ist, wo man einfach beieinander sitzen und eben auch auf große Teile der Geschichte verzichten kann. Der Griff in die Haare funktioniert und der elektrische Blick ist keine Sekunde älter geworden.
Später dann, nachdem die notwendigen Geschichten erzählt sind (nicht alle, aber das ist auch Unsinn in einer Nacht), später dann erzählt er von sich und seinem Konzept, dass er Gewalt verabscheut, selbst in der Sprache, von Schmerz aber etwas versteht. Darin liegt ein Angebot, das ist ihr klar, das bedeutet aber fallen lassen ohne wenn und aber, totales Vertrauen, die Königsdisziplin eines jeden Kontrollfreaks, nicht wahr?
Er schaut sie an, sehr gründlich, alles, macht sie nackt, der elektrische Blick immer aufmerksam. Berührungen wie von Schmetterlingsflügeln, deutlicher gespürt aber die Blicke. „Du entspannst so schnell,“, lässt er sich die Finger sauber lecken, dicht gefolgt von einer Ohrfeige, „bleib doch mal aufmerksam!“. Und wieder geht das Spiel von vorn los, bis sie glaubt, wenn er es noch einen Millimeter weitertreibt, dann fliegt ihr die Schädeldecke weg.
Seine Hände liegen auf ihrem Unterbauch, er lässt Energie fließen und hält mit seinem ihre Blicke fest, wenn die nicht gerade abkippen. Dem Abkippen hilft eine Ohrfeige ab „bleib bei mir“. Ihr Bitten, Winseln, Flehen beantwortet er geduldig mit Nachfragen. „Bitte tu mir was!“ hat nichts mit dem zu tun, was sie sich da vorgestellt hatte, gefolgt von ebenso geduldigem Streicheln und der obligatorischen Ohrfeige.
Irgendwann dann mal der Beaudelaire-Moment an einen der vorüberging. So kann es auch gehen ...