Agnes´ Spiegeltrip

Agnes´ Spiegeltrip bzw. eingängiger im Dativ: Der Spiegeltrip von Agnes

Meine esoterische Freundin Agnes heißt eigentlich Agnieszka und kommt aus Polen. Wieder ist sie zu Besuch, weil sie auf der Fahrt dorthin über Ostern bei mir einen kurzen Stop einlegt - gemäß ihrer neuen Schwingungs- und Spiegeltheorie: so verlängert sie die Zeit und so vergrößert sie den Raum, weil ihre Seele groß ist - eine Spiegelung eben, von ihrem Inneren zu unserem aller Äußeren ...

Kaum war sie da, zweimal ein Türen-zuknallen meiner beiden jungen Mitbewohner, "lass´ uns bloß in Frieden mit der meschuggenen Schickse!" - aber die beiden jungen Männer tun Agnes, respektive meiner ukochana Agnieszka, unrecht: Ich bin mir sicher, als Heine von den Weichsel-Elfen sprach, hatte er Geschöpfe wie Agnes vor sich: Sie ist beinahe 1,80, grazil und ebenmäßig, blond mit meistens funkelnden grünen Augen, eine kaum (ich räume es bescheiden ein: von mir jedenfalls) zähmbare Katze.
Kein Wunder war sie als junge Frau Model und modelt auch heute noch als Dame: Aus den Schaufenstern der Apotheken strahlte uns ihre aufgeräumte Schönheit zuletzt für ein Mittel gegen Klimakteriumsbeschwerden entgegen - ja, das ist, dem einen und der anderen bekannt, Agnes/Agnieszka.

Ich bin froh, dass sie ihre Reiki-Phase hinter sich hat und ich ihr nicht mehr den Inhalt meiner Hosentaschen offenlegen muss zur Kontrolle, ob ich ihre Energiesteine auch brav bei mir trage: mein Seelenheil ist ihr eine ernste Angelegenheit (meine Klunker hingegen, um etwas JoyClub-Spezifisches beizutragen, haben sie nie wirklich interessiert - aber über diese Trübsal bin ich mittlerweile hinaus).
Heute aale ich mich darin, dass sich meine Seele in ihren gefälligen Formen spiegeln soll - meine Seele muss also ein schönes Teil sein. Vermutlich spiegelt sich auch mein heller, klarer Verstand in Agnes´ aschblonden Haaren, hihi ...

Aber sie liest mir rechtzeitig die Leviten, bevor es mir zu wohl wird (schwingungs-, spiegelungs-technisch natürlich nur): Auf meine Hobbyschriftstellerei gemünzt, meint sie, kein Wunder, hätte ich keinen Erfolg, weil ich die Menschen nicht lieben, sondern verachten würde ...

Aha, dazu fällt mir nur TC Boyle ein: Wenn sie mich lieben, dann liebe ich sie auch;) (man sieht, wie relativ schnell ich mir ihre Spiegelungstheorie zu eigen gemacht habe).
Apropos Liebe, sage ich und zeige auf ihren rechten Oberarm, wo sie einen Bluterguss hat - Liebe und Hiebe!?

"Ja, Beweis seiner Liebe!" Und weiter: "Deshalb bist du mein Spiegel und Freund: Dein ganzes Volk ist ein Opfer wie ich ein Opfer bin!"

Wir sind keine Opfer. Seit der Flucht nach Ägypten sind wir innerlich emigriert, in die Freiheit des Geistes. - Warum bleibst du bei ihm? Willst du warten, bis er dich eines Tages totschlägt?

"Ich könnte gehen."

Du hast die Wahl.

"Wow. Du eröffnest mir Möglichkeiten!? Ich kann bleiben und ich könnte gehen. Zwei Möglichkeiten."

Zur Erheiterung suche ich im Internet von den Clash "Should I stay or should I go" und erwidere: Du könntest ihn auch zum Teufel jagen - oder ihn vergiften ... macht schon vier Möglichkeiten!

"Du nimmst mich wie immer nicht ernst ..."

Um diese Thema ohne Ende zu umschiffen, krame ich frisch geschnittenen, georgischen Machorka von meinem Bruder raus, ebenso Wodka von der letzten Getreideernte, denn ich weiß, ihr Vater ist kein Kostverächter - von Wanja, bring´s deinem Vater mit, mit den besten Grüßen ...

"Wieso soll ich dem Alten etwas mitbringen!? Von ihm hatte ich meine ersten Blutergüsse, weil er mich als Kind im Suff halb totgeschlagen hat ..."

Verflucht ... Agnes ... wer also spiegelt deine BDSM-Neigung?

"Du meinst, der Alte spiegelt sich in meiner Vorliebe für Prügel ... und das bin gar nicht ich ... !?"

Darauf hat sie den Wodka still ganz alleine geleert ... Jetzt hoffe ich inständig, dass nach Reiki und Spiegel-Trip nicht das Thema "Wodka, der besondere Saft" ansteht ...