Ausflug nach Verona oder die Verteidigung eines Rufs

Um es gleich zu outen: Meine Schwester ist in Italien verheiratet. Und noch ein Geständnis: Ich bin der Patenonkel ihrer Tochter Loredana.
Ein Umstand, zu dem ich mich vermutlich hätte nie hinreißen lassen, wenn ich vor 23 Jahren gewusst hätte, was alles auf mich 23 Jahre später zukommt ... nämlich neben dem Patenonkel in Personalunion auch noch Trauzeuge zu werden ... das Fruchtbarste dabei: Meine Schwester und meine Nichte bestehen darauf, dass ich dem Anlass entsprechend einen Anzug trage, mit Krawatte nota bene. Eine Überzeugung und ein Entschluss der beiden Frauen, so unverbrüchlich wie die Tradition, nach der geheiratet werden soll: Für mich als bekennenden Atheisten und Nonkonformisten kennen somit die Tragik sowie die Folter selbst in meinem schon fortgeschrittenen Leben keine Grenzen mehr ...

Zudem ist meine Schwester im Lauf der Jahre 1:1 wie unsere Mutter geworden - als ob es nötig wäre, schimpft sie: "Reiß dich endlich mal zusammen und mach´ ein anderes Gesicht!" - Aber der Schal, den sie mir umgelegt hat, um mir nonchalanten Pepp zu verleihen, kratzt mich trotzdem weiterhin im Nacken ...
So stehen wir in der Chiesa San Bernardino, dieser wunderschönen Renaissancekirche, die zur passenden Kulisse für die Einweihung des neuen Lebensabschnitts meiner Nichte auserkoren wurde ... der Krönung ihrer weiblichen Karriere so zu sagen (hihi, manche Spitzen sind wirklich kratzenden Schals geschuldet) ... unter dem Bild Morones mit der Kreuzigung Christi - und ich frage mich unweigerlich, welches Omen für eine Ehe die schmerzverzerrte, leidende Gestalt Christi wohl haben mag!?

Wieder draußen vor der Kirche sind sich meine Schwester und Loredana mit ausgeprägtem und geschultem Sinn für die praktische Nutzbarmachung der Objekte der Welt für eigene Zwecke einig, dass ihre Entscheidung mit der Wahl dieser Kirche für die Trauung, die richtig ist.

Ich mache beide auf den silbernen, mit Wolken verhangenen Himmel aufmerksam, der den Eisfeldern der Arktis gleicht; darunter die flach stehende Sonne, die mit ihren Strahlen das ohnehin erdwarme, rotbraune Verona mit goldenem Licht verziert - was den beiden nur ein müdes, mildes Lächeln entlockt: "Man merkt auf Schritt und Tritt, dass du nicht von hier bist!"
Und sie meinen: nicht von dieser Welt ...

Immerhin erlaubt mir dieser Umstand auf meine Weise Rache zu nehmen: Im letzten Augenblick vor der ganzen Zeremonie binde ich mir eine mit Bärchen, die sich unbeschwert Wasserbälle zuwerfen, bedruckte Krawatte um und werde so auf jedem Foto verewigt - chaka!;):)