Puh, tolles Thema, wenn ich mir die Antworten hier (die ich allerdings bislang nur durchflog) so ansehe.
Zwei Dinge kann ich dazu beitragen.
Erstens einmal die wirklich großartige Kurzgeschichte "Drive my Car" von Haruki Murakami.
Darin weiß der Mann, dass seine Frau öfters mal fremd ging, immer für einige Monate, er ahnte (bzw. wusste damit auch) jedes Mal mit wem, und fragte sich, warum sie das überhaupt tut. Er begriff es einfach nicht, weil er ihre Liebe zu ihm nach wie vor spürte und die Beziehung insgesamt auch sehr harmonisch war. Weil es so war, hielt der die Klappe, lernte dann aber nach ihrem Tod einen ihrer ehemaligen Lover kennen (ohne dass jener es ahnte, dass er bescheid weiß), um dann festzustellen, dass der andere sie, genauso wie er selbst, wirklich liebte. Und dann vor der Frage stand, warum er den anderen eigentlich verurteilte, wenn doch sie es war, die das alles vor ihm verheimlichte.
Soviel zur Moralnummer, dass man so etwas ja nicht mache. So einfach liegen die Dinge häufig nicht ...
Ich war auch einmal (nein, zweimal) derjenige welcher. Und kann ganz offen und ehrlich sagen, dass ich die Situation absolut beschissen fand und sehr auf eine Trennung drängte und ebenfalls, dass die Heimlichkeit, was mich angeht, so schnell wie möglich beendet werden solle.
Ich wusste, dass die Liebe mir gegenüber schlicht "passiert" ist. Sie war niemals geplant. Genauso wie meine ihr gegenüber nicht. Wer es nicht erlebt hat, weiß nicht, wie grauenhaft es ist, zu wissen, dass man bereits mit dem ersten "echten" Kuss jemanden betrügt, und gleichzeitig nicht gegen die eigenen Gefühle ankommt, die nun einmal Liebe sind, diesen Kuss trotzdem gibt, und ihn genießt.
Wie empfand (und empfinde!) ich gegenüber dem Betrogenen? Großen Respekt! Denn es war weder mein, sondern sein Problem, wir wussten doch beide, instinktiv, dass sie es war, die sich entscheiden musste. Beide ahnten, nein: Wussten umeinander, ohne es auszusprechen. Und so war es ein ehrliches Werben um ihre Gunst. Worüber ich sehr froh war, weil ich Lügen und Heimlichkeiten auf den Tod nicht ausstehen kann, es aber so de facto keine gab, weil ER es eben einfach wusste. Und, was ich hoch anrechne, nicht mir gegenüber verletzt reagierte, sondern mir mit demselben Respekt begegnete, wie ich ihm. Wir wussten beide, instinktiv, dass sie uns beide liebt, sich aber dennoch früher oder später dann doch für einen von uns beiden entscheiden würde. (btw., letztlich für ihn
- und im zweiten Fall jene für jemand gänzlich anderen
)
Ich habe daraus sehr viel gelernt. Hauptsächlich jenes: Heimlichkeiten gehen gar nicht!
Sie sind das eigentlich Üble an einer Affäre.
Es gibt Beziehungen, die sexuell einfach mal tot sind, wo es aber sonst blendend läuft. Eine Affäre macht für mich da durchaus einen Sinn.
Wenn alle Beteiligten wissen, dass dem so ist! Und sei es "was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß", wenn es ernst gemeint ist.
Mir wäre es wie dem TE gegangen, bei dem, was er hier beschrieb: Hätte ich den Mann kennen gelernt und ihn außerordentlich sympathisch gefunden, dann hätte ich genau dasselbe gemacht an seiner Stelle.
In meinem Fall tat ich im Prinzip dasselbe: Um des Partners selbst willen eine Trennung verlangen. Denn auch ihr Partner hat ein Recht auf Glück! Wenn sie unglücklich ist, ist er es früher oder später auch, das ist kein Zustand.
Also zählt nur eines: Trennen oder auf mich verzichten! Beides gleichzeitig, heimlich? Vergiss es!
Entweder er weiß es, oder ich gehe.
Wäre ich heute in derselben Situation, würde ich eine Frau kennen lernen, die ich umwerfend attraktiv finde und mit der ich mich auch sonst magisch gut verstehe, von Anfang an, wenn wir bereits heftig miteinander flirten würden, würde ich dann, wenn ich erführe, dass sie "noch in einer Beziehung ist", nun klipp und klar sagen, dass sie für mich dann absolut tabu ist. Weil ich inzwischen nun einmal gelernt habe, dass der Partner meist
tatsächlich anfangs naiv genug ist zu glauben, sie wäre ihm treu.
Sagte mir eine Frau, sie wäre in einer offenen Beziehung und er hätte kein Problem mit anderen, würde ich zwingend darauf bestehen, ihn kennen zu lernen.
Es wäre mir völlig egal, wie unangenehm ihr diese Begegnung wäre. Ich möchte von ihm persönlich hören, dass es ok ist! Worten von ihr diesbezüglich würde ich von zwölf bis Mittag trauen.
Es ist einfach eine Sache des Respekts, finde ich, denjenigen nicht nur kennen zu lernen, sondern sich auch mit ihm auszutauschen darüber, um dann jeweils selbst die Grenzen festlegen zu können gegenseitig.
Würde ich feststellen, dass er überhaupt keine Ahnung von "uns" hat, würde ich dieses "uns" beenden. Sofort und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Denn egal wie tot diese Beziehung auch sein mag: Aktiv belogen zu werden hat kein Mensch auf diesem Globus verdient.
Ich kann vieles verstehen, allen Rausch der Gefühle, der unmittelbar passieren mag,
aber bei Lügen, da mache ich nicht mit. Never ever.