warum heikel?
Es gibt vielleicht Bilder, die wir nicht sehen wollen. Oder Themen, mit denen wir uns nicht auseinandersetzen wollen. Aber etwas Heikles kann ich nicht erkennen.
Könnte das Bild nicht auch einfach zwei Menschen zeigen, die Lust aufeinander haben und den nächstbesten Gegenstand hernehmen, um "Stellung" zu beziehen?
Ist das eine naive Interpretation? Gut, dann bin ich naiv.
Das "Heikle" erfährt das Bild doch erst durch das, was wir aufgrund des Rollstuhls hineininterpretieren. Wäre ein Sling anstelle des Rollstuhls zu sehen, wäre dieses Bild wohl ganz anders gesehen worden.
Der Rollstuhl kann für körperliche Behinderung stehen, die Position für Sex. Ist es heikel, als Mensch mit körperlicher Einschränkung Lust auf Intimität zu haben? Meines Erachtens ist es dies nicht, denn es ist gelebte Realität. Provokant wird die bildliche Thematisierung eigentlich erst dadurch, daß sich ein Großteil der Nicht-Betroffenen mit dem Thema Leben mit Behinderung nicht auskennt und auch nicht auseinandersetzt. Aber auch die mittelbar Betroffenen im familiären Umfeld stecken manchmal den Kopf in den Sand. So wird vielfach darüber geschwiegen, daß auch bei Menschen mit geistiger Einschränkung ein sexuelles Verlangen vorhanden ist und auch ausgelebt wird.
Vor einigen Jahren gab es einen Aktkalender, der Paralympics-Sportler mit ihren fehlenden körperlichen Gliedmaßen usw. zeigt. Das waren ungewohnt reizvolle Aktbilder, aber nicht heikel. Mutig war es, sich so zu zeigen, denn mangels Auseinandersetzung fühlen sich viele Menschen vor den Kopf gestoßen und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.
Und wenn das Bild Assoziationen hervorruft, die an die Aufnahmen von Oliviero Toscani erinnern, dann kann ich daran nichts Schlechtes finden. Die Abbildung der magersüchtigen Nackten zur Mailänder Modewoche hat vielfach bewirkt, daß Models unterhalb eines gewissen Mindestgewichts bei manchen Modeveranstaltungen nicht mehr zugelassen sind. Und die Bildkampagnen für Benetton wurden auch nur deshalb so starkt diskutiert, weil immer eine Verbindung zum Kommerz gesehen wurde. Heute würde dies wahrscheinlich unter "corporate social responsibility" laufen und weniger echauffiert diskutiert.
Ich kann mit immer noch mit meiner "naiven" Bildinterpretation anfreuden.
Gruß, tacones