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Reminiszenz

Reminiszenz
Revolverheld oder Lonely Ranger
© Ginger2016

Eine kalte Oktobernacht, irgendwo in den finsteren Tiefen des Münsterlandes, dunkel und voller versteckter Verheißungen, die wie Spinnweben in den feuchten Hecken hingen, ein fiebriges Erwarten lag über dieser späten Stunde, geboren aus Alkohol, Einsamkeit und Sehnsucht. Was macht da eine Singelady? Sie schmeisst sich in Schale und zieht mit Freunden durch die Nacht, eine feierwütige Armee der Finsternis, stromernde Katzen und Kater, giggelnd, lachend, angeheitert, neugierig auf die kommenden Stunden.

Wenn man wie ich, Alkohol nicht gewohnt ist, kann das schon ausufern in einem Flußbett, dessen Relief auch mit einem Echolot nicht dargestellt werden kann. Die münsterländer Jugend tanzte durch die gefakten Oktoberfeste in der Provinz. Man lief nicht Gefahr, dass ein Reh vor dem Taxi landete, sondern zugedröhnte Feierwütige, die wie Schemen aus der Nacht auftauchten und denen die Straßenverkehrsordnung so egal war, wie einem deutschen Touristen im thailändischen Rotlichtmilieu das Kondom.

Auch meine Augen passten sich promillebedingt nur noch schlecht an die Nacht an. Bereits reichlich angeheitert enterten wir dann doch noch recht sicheren Schrittes gut gelaunt das auserkorene Besäufnis-Etablissement für ausgedörrte Kehlen.

Lauschiges, kuscheliges Ambiente, nettes Klientel, sehr sympathische Betreiber und das kalte Bier vom Fass schmeckte wie wahr gewordenes Manna. Die Nacht nahm ihren Lauf und mich in ihre Arme. Westernstyle, wohin man sah und schon keimten Bilder von einsamen Cowboys, staubigen Straßen und knisternde Lagerfeuerromantik zu traurigem Coyotengeheul auf. Zu dieser späten Stunde schien keiner mehr nüchtern zu sein, auch die Youngster der saufenden Gemeinde zogen das Bier durch die Kehle, als gäbe es kein Morgen und kein Bier mehr, hier in V..

Nur weg mit dem faden Geschmack der Grenzen, die uns das Leben aufzeigt, nur weg mit dem Gefühl des Liebeskummers, das die nüchternen Herzen zusammenquetscht, wie die Tiefe ein implodiertes U-Boot. Obwohl ich erst keine Lust auf eine Kneipentour hatte, gefiel es mir immer besser. Es war alles herrlich unkompliziert, herrlich hell und herrlich lustig. Das Peter-Pan-Syndrom enterte uns und wir ließen es nur zu gerne an Deck. Manch Besoffener gröhlte durch die Nacht, irgendwo erklang weinerliches Wehklagen, anderen schwoll bereits der Kamm, überdimensioniert das Ego und Potenzgehabe, doch da saß einer am Thresen, der eigentlich nur auffiel durch seine traurigen Auge in einem blassen Männergesicht.

Skepsis und Melancholie nisteten in seinen Mundwinkeln, wie Papageientaucher in den Klippen der Shetland-Inseln. Wie ein Fremdkörper wirkte der Mann in seiner isolierten Einsamkeit, eine Insel im Meer des alkoholischen Ekzesses. Unsere Blicke kreuzten sich, meine Augen tintengrün, seine blaugrau, wie ein versteckter Bergsee in den Alpen. Ich lächelte, er lächelte zurück, nein, eher war es ein schiefes Grienen. Der einsame Cowboy schien Gepäck mitzuschleppen, das er auch vor der Pinte auf seinem müden Gaul der Tristesse nicht zurückgelassen hatte.

Lonely Ranger saß unweit der Damentoilette und was nervt uns, wenn wir Frauen der Hopfenkaltschale allzu sehr zugesprochen haben? Eine schwache Blase, Pipi, also flugs die Toilette anvisiert, an dem Einsamen vorbei und im Vorbeischweben den Hauch eines herben Aftershaves aufnehmen, das angenehm die Hirnsynapsen tangierte und diese in paarungsbereite Schwingungen versetzte. Auf der Toilette schnell das Make-Up aufgehübscht, Lidstrich, Wimperntusche, ein blassen, frivoles Frauengesicht, das trotz der recht trüben Lokusfunzel den kecken Ausdruck nicht verhehlen konnte. Bierleiche sah anders aus.

Hier war eine Katze auf der Jagd, das war unschwer zu erkennen. Als ich die Toilette verließ, kam der Lonely Ranger mir entgegen. Da der Flur sehr eng war, mussten wir geradezu um uns herumhopsen, was der Situation eine derart komische Komponente verpasste, dass wir uns wieder angrinsten. Es sind diese Momente im Leben, in denen sich zwei Wildfremde begegnen, zwei einsame Coyoten, verloren im Dunkel der Nacht, wo man in den Augen des Anderen ein Licht sieht, das magnetisch wirkt, eine warme Stelle am Feuer signalisiert, die Finsternis erhellt und es ganz egal ist, ob die Vernunft in diesem Moment ihren Senf dazu gibt.

Man lässt es einfach geschehen, nimmt es mit wie den Hauch der abgeernten Herbstfelder, der so süß und schwer ist, wie der erste Kuss. So standen Lonely Ranger und ich da, eine kleine Ewigkeit. Waren es diese berühmten 7 Sekunden? Ich spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging, roch seinen Atem, der trotz seines angeheiterten Zustandes nicht unangenehm war, gepaart mit Whiskey und Lucky Strike. Blicke sagen mehr als 1000 Worte.

Yes, Cowboy, ich gehöre Dir, diese Nacht oder für immer. Wer weiß das schon, das Schicksal mischt die Karten und es kommt immer darauf an auch mit einem schlechten Blatt gut zu spielen. Also, lass es uns wagen ...

Ja, ich weiß, was der interessierte Leser jetzt erwartet, aber:

1. Möchte ich mal eine Geschichte schreiben, die halbwegs jugendfrei ist ...

2. Manche Begegnungen stellen sogar den profanen Coitus in den Schatten, erst einmal ...


*bandit* *bandit* *bandit*
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