Private kriegen mehr Untersuchungen?
Ich würde es andersrum sehen: Kassenpatienten bekommen weniger Untersuchungen.
Bei einem Privatpatienten darf der Hausarzt das Abhören und Beurteilen der Lunge eben nur ein Rechnung stellen, wenn er gleich auch aufs Herz hört und den Blutdruck mißt. Das ist eine gemeinsame Abrechnungsziffer in der Gebührenordnung für Ärzte.
Und einen Bauchuntersuchung darf privat nur in Rechnung gestellt werden, wenn auch die Bruchpforten mit untersucht wurden. Auch wenn der Patient nur mit Durchfall kommt.
Also macht der Arzt eben noch die Blutdruckuntersuchung und die Bruchuntersuchung dazu. Sonst beschwert sich der Patient hinterher, daß da was auf der Rechnung steht, das nicht erbracht wurde. Das liegt aber nicht am Arzt, der Geld machen will, sondern an der Gebührenordnung, die eben nur eine Abrechnung "Palpation, Perkussion und Auskultation der Bauchorgane
einschließlich palpatorischer Prüfung der Bruchpforten und der Nierenlager" zuläßt.
Andererseits bietet ein Arzt dem Patienten natürlich lieber Untersuchungen an, die von der Kasse übernommen werden, als daß er dem Patienten eine Untersuchung vorschlägt, die dieser selber zahlen muß. Ein EKG oder eine Keimbestimmung z.B. sind sehr oft zur weiteren Behandlung nicht zwingend nötig, aber medizinisch sinnvoll. Die gesetzl. Krankenkasse sagt: "Spar mal Geld und schau erstmal ob die Standardbehandlung wirkt", die Privatkasse sagt: "Behandel den Patienten so, daß er so schnell wie möglich gesund wird". Wenn ich eine in 85% der Fälle richtige Behandlung auch ohne Keimbestimmung einleiten kann und auch ansonsten keine schweren Folgen zu befürchten sind, dann laß ich doch den Kassenpatienten nicht gleich dafür zahlen. Beim Privaten wird's aber eh übernommen, da kann ich auch auf Nummer sicher gehen.
Wenn es nun allerdings so weit geht, daß nicht indizierte Untersuchungen und Eingriffe durchgeführt werden - da streiken normalerweise auch die privaten Kassen. Deshalb muß man auch beim Zahnarzt alles erst von der Kasse genehmigen lassen. Wenn ein Arzt belastende Untersuchungen und Eingriffe durchführt, nur um Geld zu verdienen, dann ist das kriminell und meistens gefährliche Körperverletzung (z.B. schon ein nicht notwendiges Röntgenbild!).
Letztlich ist in Deutschland die Therapiehoheit aber beim Patienten!
D.h., der Arzt kann nur beratend tätig sein. Ob und welche Therapie bzw. Diagnostik eingeleitet wird, entscheidet immer der Patient selber! Insofern muß sich der Patient natürlich gut kundig machen. Man gibt ja die Selbstverantwortung nicht an den Arzt ab. Und gerade Privatpatienten haben ja keine Überweisungspflicht, so daß sie jederzeit zu einem zweiten Arzt können, wenn ihnen was komisch vorkommt - bei gestörtem Vertrauensverhältnis lieber wechseln.
Zur Sache mit dem Blinddarm: Natürlich kann ich nicht ausschließen, daß ein Arzt eine OP macht, nur um Geld zu verdienen. Normalerweise hat ein KH aber genug Blinddarm-OPs. Gerade beim Blinddarm ist es sehr oft so, daß man aufgrund der Symptomatik oder einzelner Befunde (z.B. unspez. Druckschmerz im rechten Unterbauch in Kombination mit unspezifischen Entzündungswerten im Blut) einen starken Verdacht hat und operieren muß. Letztlich sieht man es dann erst in der OP, ob der Blinddarm tatsächlich entzündet ist. Insofern kann ich mir auch vorstellen, daß ein Arzt dann hinterher gesagt hat "notwendig war die OP doch nicht", im Sinne von war letztlich doch keine Blinddarmentzündung ?