Auftauchen, um Luft zu holen...
Als Mann, der seine Partnerin in ihrer Erkrankung seit über 20 Jahren begleitet und jetzt auch pflegt, sie morgens aus dem Bett holt, sie duscht, anzieht, sie bekocht, zur Therapie fährt und abholt, abends auszieht, wäscht und in ihr Bett trägt... sehe ich dieses Thema natürlich zwangsläufig von der anderen Seite.
Ahja hat es schon sehr genau beschrieben. Irgendwann läuft man als Pflegender Gefahr, auszubrennen. Vor allem, wenn die fortschreitende Krankheit jede Zuversicht zu nehmen droht. Ich weiß, dass es meine eigene Entscheidung ist, bei meiner Frau zu bleiben und auch bei ihr bleiben zu wollen. Trotz allem sehe ich in ihr immer noch die Frau, die mir vor vielen Jahren alleine mit ihrem Lächeln den Atem rauben konnte.
Und das liegt auch daran, dass ich irgendwann für mich entschieden habe, einen Teil meines Lebens wieder für mich zurückzugewinnen. Es war nicht einmal ein bewußter Entschluss. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich nach sehr langer Zeit das erste Mal mit einer sehr lieben Freundin während einer Dienstreise nach Lissabon durch die Beixa bummelte und irgendwann, als sie mit erwartungsvollem Blick bei einer Anprobe aus der Kabine trat, einen heftigen Kloß im Hals hatte. Weil mir auffiel, dass es nach Jahren das erste Mal war, neben einer Frau shoppen zu gehen... und sie nicht zu schieben. Klingt banal. Aber in dem Moment konnte ich ihr nicht in die Augen sehen, weil es mir zu nahe ging.
Wir haben alle irgendeine Vorstellung davon, wie das Leben eigentlich sein sollte, was wir uns erhoffen und wie ein perfekter Tag sein könnte. So lange wir die Zuversicht haben, dass wir dies erleben können, haben wir die Kraft auch scheinbar unerträgliche Situationen mit einem Lächeln zu meistern. Ich kann verstehen, dass es für einen Menschen eine schwierige Situation ist, eine Affaire oder Freundschaft mit jemandem zu haben, der sich wie ich an einen kranken, behinderten, pflegebedürftigen Partner gebunden hat. Egal, ob das nun im Einverständnis oder ohne Wissen des Partners ist. Denn schlussendlich werde ich nie frei sein und es kann immer den Beigeschmack haben, "nur" ein Ausgleich zu sein.
Es ist für mich nie "nur ein Ausgleich". Bei aller "rücksichtsvollen" Unehrlichkeit bin ich in meinen Gefühlen aufrichtig. Eine andere Frau muss sich keine Skrupel machen, meiner Kate meine Zuneigung und Liebe zu "stehlen". Ich glaube nicht, dass das überhaupt möglich wäre. Und genau so wenig zweifle ich daran, trotzdem ehrliche Zuneigung und Liebe für eine andere Frau empfinden zu können.
Warum ich nicht daran zweifle?
Weil ich das Glück habe, genau das zu erleben.