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"Tödliche Abgründe"

"Tödliche Abgründe"
Hier will ich mal einen Krimi aus dem fränkischen Würzburg vorstellen. Er erscheint demnächst bei Amazon.

Leseprobe folgt *zwinker*


Klappentext:


Trotz des heftigen Widerstandes der Anwohner entsteht aus der Ruine einer abgebrannten Diskothek ein Nobel-Swinger-Club. Einige Monate später ist der Besitzer tot; gefesselt am Andreaskreuz des eigenen Clubs – in der Brust das Wort ›Sünder‹ eingeritzt.

Wem war der charismatische Clubbesitzer ein Dorn im Auge?

Die Ermittlungen führen den Würzburger Kommissar Peter Pfeiffer und sein Team zu Martin Weigand, dem Initiator der Bürgerinitiative gegen den Club. Aber Weigand erhält von seiner Frau Karin ein dubioses Alibi und die Kommissare tappen erneut im Dunkeln. Erst als sie feststellen, dass es sich bei dem letzten Gast in der Mordnacht um eine Domina handelte, geht die Suche in eine neue gefährliche Richtung.

Denn ist die Domina wirklich das, was sie zu sein vorgibt?
Wie versprochen das erste Kapitel. Ich wünsche euch viel Spaß.



Montag, 21. März






1. Kriminalhauptkommissar Peter Pfeiffer gähnte. Warum musste Schreibtischarbeit nur so langweilig sein? Dabei liebte er seinen Job, als wäre dieser eine junge, anbetungswürdige und nie langweilig werdende Brünette. Manchmal sah er ihn auch als Blondine oder Rothaarige; je nachdem, was er gerade im wirklichen Leben bevorzugte. Und das wechselte je nach Lust und Laune – und dem jeweiligen Angebot des Würzburger Nachtlebens.
Doch egal, wie toll seine Liebschaft – genannt Arbeit – ihm in ihrem Facettenreichtum erschien, wie eine echte Frau hatte sie Schattenseiten: Sie hinterließ nervige, trockene Schreibtischarbeit, die er verabscheute.
Pfeiffer legte den ersten abgeschlossenen Bericht auf die freie Seite seines Schreibtisches und schnaufte erleichtert. Er tat sich schwer, dabei fehlten meist nur Kleinigkeiten wie Bemerkungen, Kommentare und letztendlich seine Unterschrift. Dennoch zögerte er permanent die Erledigung heraus, als trügen die Akten den Namen seines Scheidungsanwaltes.
Erneut gähnte er. Verdammt! Die Überstunden vom Wochenende fühlten sich an wie eine durchzechte Nacht. Eine ausufernde Kneipentour hatte er früher besser weggesteckt als heute ein paar Stunden fehlenden Schlafes. Der erschreckende Anblick seines morgendlichen Spiegelbildes hatte ihm zu denken gegeben. Wie oft nahm er sich vor, die Mehrarbeit zu reduzieren? Zu oft. Nur gelang es ihm nicht. An den vergangenen Tagen musste er einen Kollegen von der Sitte bei einer weitläufigen Observation und anschließender Razzia vertreten.
Wobei ›musste‹ nicht stimmte, wenn er ehrlich war. Er hatte sich regelrecht aufgedrängt, damit Oliver mit seiner Familie Kindergeburtstag feiern konnte. Ein Akt der Nächstenliebe, wie es Pfeiffer nannte; ein Angebot unter Zeugen, das Oliver nicht ohne Erklärungsnot ablehnen konnte, sollte seine Frau jemals davon erfahren. Heute Morgen allerdings begrüßte ihn der Kollege mit Worten, die Pfeiffer eindeutig in der Annahme bestärkte, dass das Aufblasen von Luftballons und ein Bespaßen von mit Schokolade verschmierten tobenden Kindern nicht zur Verstärkung ihrer Freundschaft beigetragen hatten. Doch da musste Pfeiffer durch. Alles war besser, als einsam daheim zu warten, bis das Wochenende vorüberging.
Für Gewissensbisse war es eh zu spät. Er würde Oliver die Tage zu einem Kneipenbummel einladen und in die Grundlagen einer pädagogisch wertvollen Kindererziehung einweihen.
Der Aktenstapel glotzte ihn an, als wolle er ihn verhöhnen. Pfeiffer zwang sich, nach dem nächsten Schriftstück zu greifen, damit der zähe Arbeitsfluss nicht noch weiter ins Wanken kam.
Nina Schätzlein, der jüngste Zuwachs des K1, saß ihm gegenüber. Erst seit einigen Wochen ergänzte sie das Team und hatte sich ausgezeichnet eingearbeitet. Sie beobachtete, wie er die Akten anstarrte.
»Du vermisst Ulf wohl sehr. Weiß er um die Lücke, die er hinterlassen hat?«
Pfeiffer registrierte ihren amüsierten Blick.
Zu allem Überfluss setzte sie nun noch einen mitleidigen Gesichtsausdruck auf. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
»Der geht seit Januar seiner Frau Gisi auf die Nerven. Sie schüttete mir letztens das Herz aus. Loriots ›Pappa ante Portas‹ sei ein Fliegenschiss gegen das, was Ulf daheim abzieht.«
»Oh, die Arme. Bring ihm doch die Akten, dann hat er Beschäftigung.« Nina verkniff sich ein Grinsen.
»Danke für deinen Spott.« Er schnaufte. »Gisi hat sich in der Tat den Übergang einfacher vorgestellt. Im Mai will sie mit ihm eine Kreuzfahrt machen. Sie freut sich wie eine Schneekönigin darauf, endlich mit ihrem Mann die Welt zu bereisen. Sechzehn Jahre mit mir müssen reichen, meint Gisi.«
Deprimiert schielte er zu den Akten.
»Ihr wart bestimmt ein gutes Team. Perfekt eingespielt.«
»Wie ein altes, eingefahrenes Ehepaar.« Pfeiffer grinste versonnen. »Jeder kannte die Macken des anderen. Und, was noch viel schlimmer war: Jeder wusste, was der andere dachte.« Pfeiffer linste zu ihr hinüber. »Aber ich kann mich nicht beschweren. Er hat eine vortreffliche Nachfolgerin.«
Nina stieß sich vom Tisch ab und rollte mit dem Bürostuhl bis zum Heizkörper. Das Metall schepperte. »Oblitus!«
»Was?«
»Das ist Latein und heißt: Vergiss es! Sicherlich werde ich die Lücke gut schließen, nur …« Sie zögerte, holte tief Luft und krauste die Nase. »Ich mag Papierkram genauso wenig wie du. Also werden wir diesbezüglich nicht auf einen Nenner kommen.«
»Ich fasse es nicht! Du kommst mir mit Latein!« Pfeiffer lachte und schlug mit der Hand auf den Schreibtisch, dass die Akten verrutschten. »Du bist mir ähnlicher, als es gut für dich ist.« Er richtete den Stapel. »Am Anfang befürchtete ich, du wärst eine dieser anstrengenden Perfektionistinnen von der Schule.«
Nina riss die Augen auf. »Anstrengend? Ich setze Prioritäten.«
Pfeiffer hörte ihr an, dass sie gekränkt war.
»Ach, so nennst du das.« In Zukunft würde er sich vorsichtiger ausdrücken. Ihr außergewöhnlich hartnäckiger und selbstbewusste Arbeitsstil zeugte von getriebenem Ehrgeiz. Er wusste nur noch nicht, was sie so extrem anstachelte.
Insgeheim genoss er den frischen Wind, den die junge Kollegin in die Abteilung brachte. Ihr Äußeres ließ das nicht erahnen.
Wo immer die Kleidung herstammte, aus einem Fachgeschäft für Damenmode jedenfalls nicht. Das fade hellgrüne Sweatshirt glich dem Putzlappen aus seiner früheren Garage und die aus den Achtzigern des letzten Jahrhunderts stammende Karottenjeans schlotterte an den Beinen.
Pfeiffer fragte sich, warum Nina Sachen trug, die aus dem Altkleidercontainer zu kommen schienen. Selbst die honigfarbenen Haare band sie mit einem unansehnlichen Gummi zu etwas, das eher einem ausgefransten Pinsel als einem Zopf glich.
Das Telefonläuten riss ihn aus den Betrachtungen.
»Pfeiffer!« Er zog die Brauen hoch und machte sich Notizen.
Nina kaute an einer Laugenbrezel.
»Was ist?«, fragte sie, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte.
»Du wirst nicht glauben, wo uns die Einsatzzentrale soeben hinbeordert hat.«
»Nach deinem Mienenspiel zu urteilen, überrascht es selbst einen alten Fuchs wie dich.«
»Darauf kannst du wetten. Wir müssen nach Zeitlingen.«
»Was ist da?«
»Ein Mord im neuen Swinger-Club.«
»Wo?« Nina verschluckte sich und hustete.
»Im ›White Palace‹.«
»Weißer Palast? Hört sich nach Puff an.«
»Wenn du ihn siehst, verstehst du es.«
Hier geht´s weiter
*

Die aufregende Polizeiarbeit aus dem Fernsehen war nur der kleinste Bruchteil dessen, was ein Polizist wirklich tat. Es sei denn, er hieß Bruce Willis. Der ging nie von Haus zu Haus, befragte keine Nachbarn nach seltsamen Gestalten und mysteriösen Geräuschen, wälzte keine Akten, durchwühlte keinen Müll und observierte nicht stundenlang Verdächtige. Für diese Zwecke hatte er ›Handlanger‹.
Als Pfeiffer und Nina das Auto auf dem Parkplatz hinter dem ›White Palace‹ abstellten, hatten genau diese Helfer alles abgesperrt. Die uniformierten Kollegen klingelten an den umliegenden Häusern; die Anwohnerbefragung war bereits in vollem Gange.
»Das ist also der ›White Palace‹?« Nina stemmte die Hände in die Hüfte. Ihr Blick schweifte über den Prachtbau mit den filigranen Türmchen.
»Das war früher eine Disco«, erklärte Pfeiffer. »Eine richtig Angesagte sogar. Die Jugendlichen kamen von weit her, um sich hier zu amüsieren. Bis der Besitzer die Versicherung betrügen wollte und den ›Tanzpalast‹ einfach abgefackelt hat. Das war ein Verlust. Ich wusste nicht mehr, wo ich meine Mädels abschleppen sollte.«
Ein träumerisches Lächeln legte sich um seinen Mund und die Augen leuchteten. Mit einem Seitenblick nahm er die außerhalb des Absperrbandes lauernden Presseleute wahr. Das Lächeln verschwand so schnell, wie es erschienen war.
»Komm.« Mit großen Schritten eilte er zum Eingang am östlichen Flügel des Baus. Nina konnte ihm nur mit Mühe folgen.
Mitarbeiter der Spurensicherung liefen zu dem Einsatzfahrzeug, das direkt an der Abriegelung parkte. Mit den hochgezogenen Kapuzen der Tyvek-Anzüge erinnerten sie Nina an eine Invasionsarmee aus dem Weltall.
Sie hielt einen Kollegen fest und deutete auf die Überwachungskamera über dem Eingang. »Ist das eine Attrappe oder haben wir Bilder?«
»Wird gerade überprüft«, antworte der mit einem unfreundlichen Seitenblick. »Wir übersehen schon nichts.«
Nina sparte sich jeden Kommentar.
»Schau dir die Hyänen an«, zischte Pfeiffer.
Die Reporter hatten sie entdeckt und stürmten rufend heran.
»Mord und Sex - das garantiert steigende Auflagen. Und hier haben sie beides.«
Mühsam bahnte er ihnen einen Weg durch das enger werdende Getümmel. Abwehrend hob Nina die Hand, doch unermüdlich wurden sie beide mit Fragen bombardiert.
Pfeiffer drückte das Absperrband nieder und ließ Nina darüber steigen. Bevor er folgen konnte, stellte sich ein Fotograf ihm in den Weg und schoss eine Nahaufnahme.
Geblendet kniff Pfeiffer die Augen zu.
Ein Reporter mit gegeltem Haar drängte von der anderen Seite auf ihn zu.
»Hauptkommissar Pfeiffer! Können Sie unseren Lesern einen ersten Eindruck vermitteln?«, schrie er in das kleine Aufnahmegerät.
Pfeiffer, fast blind vom Blitzlicht, wollte ihn ignorieren. Doch dann erkannte er verschwommen einen Siegelring mit einem Adelswappen an der Hand des Reporters. Er zögerte. So ein Zufall aber auch! Ein Lächeln umspielte Pfeiffers Mund.
Für Sekunden hielt der Reporter Pfeiffers Blick stand, dann schaute er auf das Aufnahmegerät und ließ es sinken.
Pfeiffer nickte. »Na gut, Graf. Du sollst dein Interview bekommen.«
Sofort verstummte die Menge, nur das Summen und Klicken der Kameras war noch zu hören.
»Herr Graf fragte soeben, ob wir etwas zu diesem Fall sagen können.«
Er machte eine Pause. Die Reporter hielten den Atem an. Selbst die Blitzlichter erloschen.
»Wie Sie vielleicht bemerkt haben, sind wir eben erst eingetroffen. Daher haben wir bisher noch keine Möglichkeit gehabt, uns ein Bild von den Geschehnissen vor Ort zu machen. Wie soll ich da in der Lage sein, mich zu der Sache zu äußern? Also Graf, machen Sie sich nicht mit solchen Fragen lächerlich und warten Sie bis zur offiziellen Pressekonferenz. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«
Grinsend wandte sich Pfeiffer ab und ging mit einer verdutzt dreinblickenden Nina zum Eingang. Der hinter ihm ausbrechende Tumult ließ ihn kalt, obwohl verschiedene Worte keineswegs jugendfrei waren.
»Was machst du da? Was ist los mit dir?«, fragte Nina.
»Das musste jetzt sein. Mit dem hatte ich noch eine Rechnung offen.«
Nina schüttelte den Kopf. »Meinst du nicht, dass wir die noch brauchen?«
»Nein. Und wenn - die sind so erpicht auf jede kleine Information, dass sie das dafür vergessen.«
»Da lernten wir in der Ausbildung etwas anderes!«
Pfeiffer blickte zurück. Der Graf verharrte mit gebeugten Schultern und starrte ihm hasserfüllt nach.
»Da lernen wir vieles, Nina. Aber das hier, das ist die wirkliche Schule.«


Nina und Pfeiffer gingen durch das großzügige Foyer mit der goldverzierten Rezeption, vorbei an einer mit blauem Teppich ausgelegten Treppe. Ein Schild wies zu den Umkleidekabinen im Untergeschoss – die laute Musik zu dem Partybereich im Erdgeschoss. Die Bässe von Techno-Rhythmen vibrierten in Ninas Magen. Sie folgten der Musik.
Durch einen Bogen betraten sie den eleganten Tanz- und Barbereich. Lichter strahlten die sich drehende Discokugel an, die zuckende bunte Reflexe durch den Raum jagte. Hinter der hufeisenförmigen Bar fotografierte ein Techniker der Spurensicherung die benutzten Gläser.
»Kann nicht jemand die verdammte Musik abdrehen?«
Pfeiffer winkte dem Techniker, woraufhin dieser mit mürrischer Miene einige Knöpfe an der Anlage bediente und die Musik verstummte.
»Hier geht´s hoch!«, wies eine Stimme Nina und Pfeiffer den Weg zum Tatort. Zwei Spusi-Mitarbeiter mit herunterhängendem Mundschutz kamen ihnen entgegen.
»Morgen, Herbert. Wie schaut´s aus?«
»Morgen, Peter«, brummte Herbert. »Wir hatten schon bessere Leichen.«
Sein hagerer Kollege lachte. »Aber noch keine in ´nem SM-Raum.« Er bemerkte Pfeiffers Blick und räusperte sich. »Bei dem Toten handelt es sich um den Clubbesitzer, Daniel Kovacek, fünfunddreißig Jahre alt.«
Herbert wischte sich mit dem Ärmel über das verschwitzte Gesicht. »Verdammt warm. Na ja, kein Wunder, bei den Halbnackten hier.«
Pfeiffer zeigte auf die halbvollen Gläser, die an der Theke standen. »Lief die Party noch? Oder habt ihr die Musik aufgedreht?«
»Soweit ich weiß, war keine Menschenseele da, als die Besitzerin eintraf. Laut ihrer Aussage lief die Musik, Lichter und Computer waren an.«
»Sieht aus, als hätte man alles steh´n und liegen lassen«, überlegte Nina.
Herbert grinste. »Vielleicht hatte es das Opfer eilig, hochzukommen?«
Sein Kollege schmunzelte, wurde aber wieder ernst. »Nur die Kerzen von dem großen Leuchter dort auf der Theke waren gelöscht. Da wollte einer wohl auf Nummer sicher gehen, dass die Hütte nicht abbrennt.«
Er schob die schweißnasse Kapuze vom Kopf. »Oben sind wir fertig. Wir haben zwar die Kleidung und das Messer eingetütet, aber alles exakt so platziert, wie wir es vorgefunden haben. Das Erbrochene im Flur stammt laut eigenen Angaben von der Ehefrau. Zur Sicherheit haben wir noch eine Probe genommen.«
Pfeiffer nickte dankend.
Herbert wies mit dem Kopf zu Nina. »Ist die Kleine schon so weit?«
In Nina kroch die Wut hoch. »Was heißt hier Kleine?« Sie pikte ihm den Zeigefinger in den schwammigen Brustkorb. »Das lass ich mir nicht gefallen!«
Überrascht wich Herbert zurück. »Ich meine ja nur. Am Anfang ist es immer heftig.«
Nina drehte sich um und stolzierte die Treppe hinauf. Hoffentlich bemerkte niemand, wie ihre Beine zitterten.
»Na, da wünsche ich dir noch viel Spaß mit der Neuen!« Herbert klopfte Pfeiffer mitfühlend auf die Schulter und ging mit dem Hageren hinaus.
Pfeiffer holte Nina auf der Treppe ein.
»Was sollte das? Herbert hat es doch gut gemeint. Du musst nicht mit rein. Wenn Herbert das schon sagt, dann ...«
»Er hat sich über mich lustig gemacht!«
»Wie kommst du auf so was?«
»Ich habe es in seinem Blick gesehen. Er traut es mir nicht zu!«
»Das darfst du nicht persönlich nehmen.«
»Nicht persönlich?« Angriffslustig reckte sie das Kinn. »Das sagt der Mann, der eben aus persönlicher Rache die Reporter vor den Kopf gestoßen hat?«
»Das ist was anderes.«
»Wieso? Weil ich jung, blond und eine Frau bin?«
»Ja.«
Nina blieb der Mund offen stehen. »Du bist ja noch schlimmer als mein Vater!«
»Oh!«
Verdammt! Nina holte tief Luft. »Warum glauben alle Männer, nur weil ich blond bin, springe ich beim Anblick einer Maus kreischend auf einen Tisch und warte auf Rettung durch einen strahlenden Helden? Ich habe meine Ausbildung immerhin mit Auszeichnung abgeschlossen!«
»Hab ich gehört.«
»Ich möchte nicht geschont werden, hörst du? Ich habe mir den Beruf bewusst ausgesucht. Sonst hätte ich auch ...« Sie verstummte und setzte dann leise hinzu: »Wenn es mir zu viel wird, gehe ich raus. Okay?«
Pfeiffer nickte.
»Aber ich werde nicht versagen.«


2

Das Erbrochene war in den blauen Teppich vom Flur eingesickert und verströmte einen säuerlichen Geruch.
Nina schluckte.
Die eigene Frau hatte ihn entdeckt? Die arme Frau! Wenn sie nicht die Täterin war, musste sie sich schrecklich fühlen! Was, wenn sie selbst eines Tages ihren Freund Ritchy verletzt oder tot auffinden würde? Ein beklemmender Druck breitete sich in Ninas Magen aus und die Beine drohten zu versagen.
»Nina?« Pfeiffer klang besorgt.
»Alles gut.« Mühsam würgte sie die grausigen Gedanken hinunter. Mit durchgedrücktem Rücken betrat sie das schwarz getünchte Zimmer. Abrupt blieb sie stehen. Ein Gestank aus Urin, Schweiß und Sex füllte den Raum. Vermischt mit etwas, von dem sich Nina einbildete, es sei der Geruch von Angst - die des Opfers?
Kann man Angst wirklich riechen?, fragte sie sich.
Pfeiffer trat neben sie und reichte ihr ein Taschentuch, das sie sich gleich vor die Nase hielt. Er lehnte sich an einen Käfig, der rechts neben der Tür stand, und betrachtete ebenfalls in den Raum.
Trotz eingeschalteter Beleuchtung und exquisiter Ornament-Tapete wirkte das Zimmer düster und unheimlich. Kein Wunder bei dem nachgestellten Kerkerfenster links, neben dem Käfig, dachte Nina und schlang fröstelnd die Arme um sich. Es passte überhaupt nicht in den Raum, in dessen Ecke ein mannshoher silberner Kerzenleuchter für Eleganz sorgen sollte.
Einen Meter von der Wand entfernt stand ein zwei Meter hohes, hölzernes X, an dem mit festgezurrten Gliedern das nackte Opfer hing; selbst das angelegte schmale Lederhalsband war mit einer Kette am Balken befestigt. Eine Lederkappe bedeckte zur Hälfte das Gesicht. Aus dem Mund ragte die blauschwarzverfärbte Zunge.
Auf dem Boden lag wie von der Spurensicherung erwähnt, die eingetütete Kleidung. Sie wirkte wie hingeworfen, doch obenauf drapiert - ein Obstmesser.
Sorgfältig darauf bedacht, nicht in die Urinlache zu treten, besah sich Pfeiffer die Leiche.
»Die Schultergelenke sind ausgekugelt. Durch das Gewicht des Oberkörpers drückte das Halsband auf den Kehlkopf. Er ist langsam erstickt.«
»Und die Schnitte auf der Brust?«
Pfeiffer beugte sich vor und studierte die Wunden.
»Das sieht nach Buchstaben aus - S-Ü-N-D-E-R«, buchstabierte er.
»Sünder? Das hört sich nach was Persönlichem an.«
»Und damit«, er deutete auf das blutverschmierte Obstmesser, »wurde es ihm höchstwahrscheinlich eingeritzt.« Pfeiffer richtete sich auf. »Das Ganze sieht auch nicht gerade nach einem Sex-Unfall aus.«
»In der Regel wird ein Mord als Unfall inszeniert und nicht andersherum.«
»In Panik wird weit Schlimmeres gemacht«, behauptete eine klangvolle Alt-Stimme hinter ihnen.
Nina drehte sich um. Eine schlanke Frau Mitte Fünfzig in Schutzmontur lehnte am Türrahmen.
»Guten Morgen«, sagte sie und streckte Nina lächelnd die Hand entgegen. »Ich bin Rita Pekarek, Rechtsmedizinerin oder Doktor Tod, wie mich die Kollegen immer so nett nennen. Wir zwei hatten noch nicht das Vergnügen.«
Nina ergriff die Hand. »Nina Schätzlein, die Neue.«
»Ich weiß.« Die Rechtsmedizinerin sah zu dem mürrisch dreinblickenden Pfeiffer. »Hallo Peter.« Sie betonte jeden Buchstaben seines Namens.
»Hallo Rita. Lang nicht gesehen.«
Rita Pekareks Blick ruhte länger als nötig auf ihm. »Jetzt übertreib mal nicht. Gerade mal ´ne Woche.« Sie trat neben Pfeiffer und boxte ihm lachend in die Seite.
Er wich zurück. »Wie geht’s dir?«
»Danke der Nachfrage. Tatsächlich fühle ich mich heute Morgen sehr lebendig; im Gegensatz zu unserem jungen Mann hier.« Geschmeidig wie eine Wildkatze schlüpfte Rita aus den Ärmeln des Schutzanzuges und verknotete sie um die Taille. »Peter, du löcherst mich heute gar nicht wegen der Todesursache? Bist du krank?« Übertrieben schwungvoll warf sie die schwarze Mähne zurück..
Pfeiffer räusperte sich. »Ich sehe keine tödlichen Wunden. Wenn er nicht gerade vor lauter Aufregung an einem Herzstillstand gestorben ist, tippe ich auf Strangulation.«
»Sehr gut, mein Lieber. Ich bin ganz deiner Ansicht. Der ersten Untersuchung zufolge ist das Zungenbein eingedrückt. Der Todeszeitpunkt liegt etwa zwischen zwei und vier Uhr. Wenn man die Kulisse hier betrachtet, könnten meines Erachtens nach Würgespiele zur Steigerung des erotischen Empfindens stattgefunden haben. Oftmals einhergehend mit anschließender Ejakulation. Die ist allerdings in diesem Fall nicht eingetreten. Ob die Situation nur ausuferte oder es zu dem Plan gehörte, kann ich anhand der Symptome nicht unterscheiden.«
»Warum sollte jemand einen Unfall als Mord darstellen«, wiederholte Nina die Frage.
Die Rechtsmedizinerin spitzte die Lippen, doch es war Pfeiffer, der antwortete.
»Ich glaube, er wurde für seine Sünden an den Pranger gestellt, und dem Mörder ist es wichtig, dass die Welt davon erfährt.«
Ruine des Savoy in Zellingen
Wer kennt es noch, das Savoy? Genau die Ruine der 1996 abgebrannten Discothek in Zellingen (nahe Würzburg) hat mich zu diesem Krimi inspiriert.
Buchhandel erhältlich
Es ist soweit!
Nun ist der spannenden Krimi von Alex S. Judge auch im Buchhandel erhältlich.

Ich wünsche euch spannende Lesestunden.
Na dann mal weiter ...
Pfeiffer und Nina kehrten in den Barbereich zurück. Es war still. Niemand war zu sehen. Die Discokugel drehte sich nicht mehr und die Theke war abgeräumt.
»Sind die schon alle weg?« Nina sah sich suchend um.
»Nicht ganz«, keuchte eine Stimme unter der Bar. Es polterte und Herbert richtete sich hinter der Theke auf, die Anschlusskabel des PCs in der Hand.
»Was Wichtiges da unten gefunden?« Pfeiffer grinste verstohlen.
»Nur den üblichen Staub, aber auf der Bar die gleichen Messer, wie das neben der Leiche. Damit schneidet das Personal die Limetten für die Cocktails.«
»Er hat das Messer von hier mitgenommen?«
Pfeiffer starrte auf die Bar. »Die Frage ist: Hat er es mit hochgenommen, als Kovacek noch lebte? Oder nachdem er tot war?«

Nachdem die Spurensicherung grünes Licht gegeben hatte, ließ Pfeiffer zwei Kaffee aus dem Automaten. Er wollte mit Nina alleine sein, um die Wogen zu glätten. Er kam nicht dazu.
»Hi Siggi, wir haben es uns hier gemütlich gemacht. Willst du auch ´nen Kaffee?« Pfeiffer winkte den uniformierten Kollegen heran.
»Gerne. I hab scho a paar Stun herner mir.« Wachtmeister Siegfried Andermann nahm die Mütze ab. Mit einem Taschentuch wischte er Stirn und Schweißband trocken.
Die Kaffeemaschine ratterte.
»Warst du Klinken putzen?« Pfeiffer kannte Siggi seit vielen Jahren. Manchmal beneidete er den älteren Kollegen um den Dienst im gemächlichen Zeitlingen. Betrachtete er aber dessen Kugelbauch, fand er seinen stressigen Job besser.
Andermann nahm dankend die Tasse entgegen und kippte drei Löffel Zucker hinein. »Hat aver nichts gescheits bracht. Kener hat was g’sehn und g’hört. Manch täten den Lade do sofort discht mache wolle. Wenn die öbers wüsten, täten die mer jede Klänigkät erzähle. Sogor, wenn die Gummis do ausginge.«
Er gluckste über seinen Witz.
»Aber die wesse nix. So öbers Feindseliges. Die warte direkt druf. Die häm doch tatsächli ne Bürgerinitiative gründ, die so ne Nutzung verhinnern soll. Aber der Bürgermaster hat das Ding trotzdem durchgezauche.« Er klappte den Block auf und blätterte durch die Notizen. »Weigands Martin is der Initiator der Gechepartei. Der hat mit tausenden von Flugblättern und zig Versammlunge versöcht, den Bau zu stoppe. Umsust. Die Unterschriftensammlung hat net gnuch zusammebracht. Das hat dem Weigand gar net gfalle.«
»Gab er Ruhe?« Pfeiffer kippte den letzten Schluck Kaffee hinunter.
»Da kann mer kenner gsach. Bekannt geworde is nes. Aber die hier«, er tippte mit dem Zeigefinger auf seine gewaltige Nase, »die secht mir, dass er einer der Menschenfreunde is, die net so leicht klen beigawe.«
Pfeiffer sah, dass Nina nur mit Mühe Siggis Ausführungen folgen konnte. »An dem Punkt setzen wir an.« Er wandte sich wieder an Siggi. »Und die Ehefrau des Opfers? Was weiß sie? Was machte sie dir für einen Eindruck?«
Siggi schüttelte den Kopf und die Hosenbeine wackelten mit. »Sie hockte da doube uf de Stufe un hat nur so gheult. Mit der konnst gar net gred, so ufgelöst war se. Kann natürli auch gut schauspielert sei, is ober in meine Ache sehr weit herhoult.« Er blätterte und las vor: »Alexandra Kovacek, sechsundvierzig Jahr alt. Notruf ging heut Morge um sieben Uhr siebenundzwanzig ei. Sie hat sacht, dass sie in der Früh aufgwacht ist und das Bett newe ihr war unbenutzt. Sie hat uf sein Handy angeroffe, hat en aber net erreicht. Da er gestern Abend Dienst hat, schaut se als erschts im Club nach und fand ihm in de Zustand vor.«
»Habt ihr das Handy des Opfers gefunden?«
»Kann ich dir net sach. Mös ma die Spusi frach.«
Wie auf ein Stichwort kamen Herbert und dessen Kollege aus dem hinteren Bereich des Clubs; stöhnend und vollbeladen mit Akten und einem PC.
»Kein Handy«, brummte Herbert.
»Mhm.« Pfeiffer hob zum Dank die Hand und richtete sich wieder an Andermann. »Wo ist Frau Kovacek jetzt?«
»Die werd wohl dahemm sei. Soweit i wess, wollte ihr der Arzt was zur Beruhischung gave. Sie wollte aver das Zeugs nich neme.«
Pfeiffer trommelte mit den Fingern auf die Theke.
»Was hast du vor?«, fragte Nina.
»Vielleicht treffen wir sie noch, bevor sie es sich anders überlegt und das Mittel nimmt. Aus Erfahrung weiß ich, dass wir dem Umfeld keine Zeit lassen dürfen, um sich Antworten zurechtzulegen. Sonst löst du einen Fall nie.«
»Pfeifferische Weisheit?«, fragte Nina und grinste ihn an.
»Wenn du es so nennen willst.«
»Okay, dann zuerst die Ehefrau.«
Es folgt das Gespräch mit der Witwe ...
3.
Das Haus hob sich schon von Weitem von der langweiligen Häuserfront der Siedlungsstraße ab. Es war der Zauber des außergewöhnlich angelegten Gartens, der es zu etwas Besonderem machte. Eine knorrige Glyzine rankte sich verwunschen den Anbau hinauf und verwehrte den Blick in den Wintergarten. In einem Labyrinth aus kleinen Buchsbäumen standen ­verschlungene Körperskulpturen aus Stein und Metall. Auf der linken Seite blühte ein Meer aus gelben Narzissen im Kontrast zu dem Rot der untergemischten frühen Tulpen.
In Gedanken kniete Pfeiffer plötzlich in einem Beet und verbuddelte hunderte von Blumenzwiebeln. Er erinnerte sich, wie er bei dem Projekt die Orientierung verloren hatte. Natürlich gab er es nicht zu und im Jahr darauf lachte Kirsten Tränen, weil aus dem so akkurat geplanten Muster ein blühendes Chaos herausgekommen war. Die bunte Mischung gab es immer noch. Der Anblick schmerzte Pfeiffer jedes Mal, wenn er die Kinder abholte oder …
Nina klingelte an der Haustür und winkte hektisch. »­Peter!«
Er benötigte einen Moment, um in der Gegenwart anzukommen.
»Ich komm schon«, antwortete er. Im Stillen dankte er Nina, dass sie seinen Aussetzer nicht kommentierte.
Die Tür wurde von einer Mittvierzigerin mit braunem Pagenkopf geöffnet. »Zeugen Jehovas? Kein Interesse!«
Sie wollte die Tür zuschlagen, nur ein schneller Griff von Pfeiffer an den Türknauf verhinderte es.
»Mordkommission.« Er zückte den Ausweis. »Kriminalhauptkommissar Pfeiffer, meine Kollegin Frau Schätzlein.«
Der Blick der Frau hing eine Sekunde zu lange an seiner abgewetzten Lederjacke und an Ninas Schlabbershirt. Ein verächtlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht, ehe es abweisend wurde. Pfeiffer wurde sich der Bartstoppeln bewusst und ärgerte sich, weil er am Morgen nicht die Zeit für eine Rasur gefunden hatte.
»Frau Kovacek?«
»Frau Kovacek ist für NIEMANDEN zu sprechen.« Erneut wollte die Frau die Tür zudrücken.
»Sarah, lass gut sein«, ertönte eine matte Stimme aus dem Hintergrund. Widerstrebend gab die Frau den Eingang frei.
»Vielen Dank für den freundlichen Empfang«, zickte Nina, als sie das Haus betrat.
Pfeiffer schmunzelte. Gemessen an Sarahs finsterem Blick saß die Spitze. Hoffentlich begegnete Nina ihr nie im Dunkeln.
Sie betraten einen überwiegend weiß gehaltenen Wohnraum.
»Guten Tag.«
Alexandra Kovacek saß auf einer hellen Designer-Couch unter einem Wandgemälde, das eine eigenartige Interpretation von Monets ›Spaziergang im Mohnfeld‹ darstellte. Mit einer Handbewegung lud sie zum Sitzen ein. Auf ihrem Schoß hatte sich eine schwarze Katze zusammengerollt, die sie in Zeitlupe streichelte.
Pfeiffer und Nina setzten sich. Sarah Lorenz hingegen blieb mit dem Argwohn eines pflichtbewussten Dobermanns an der Wohnzimmertür stehen.
Die Besitzerin eines Swinger-Clubs hatte sich Pfeiffer stark geschminkt in hochhackigen Schuhen, Strapsen und knappem Seidenkimono vorgestellt. Doch vor ihm saß eine Frau im hellgrauen Nicki-Hausanzug. Ihr Gesicht war so blass wie der Couch-Bezug und betonte die kupferrote Lockenpracht.
»Ich bin Hauptkommissar Pfeiffer, das ist meine Kollegin Schätzlein«, stellte er vor. »Entschuldigen Sie die Störung.«
»Zuerst sprechen wir Ihnen unser tiefes Mitgefühl aus«, unterbrach ihn Nina.
Das ›Danke‹ hauchte die Ehefrau des Opfers in ein zerknittertes Taschentuch, mit dem sie sich anmutig Tränen abtupfte.
Pfeiffer nickte Nina zu, richtete sich dann aber wieder an die Witwe und räusperte sich. »Sie wohnen sehr schön. Französischer Landhausstil, nicht wahr? Ich habe das Gefühl, bei geöffnetem Fenster würde ich das Meer rauschen hören.«
»Sie sind doch wohl nicht wegen der Inneneinrichtung hier«, blaffte der Dobermann.
»Sarah, bitte.« Die Andeutung eines Lächelns zeichnete sich auf dem Gesicht der Hausherrin ab. Offensichtlich genoss sie die Bewunderung für ihr Haus. »Hier ist mein Ruhepol und nur hier kann ich die für mich lebensnotwendige Kraft schöpfen. Es ist die ›gewollt andere Welt‹. Beim Aufwachen weiß ich dann, dass ich hier zu Hause bin. Sonst verliere ich die Kontrolle.«
»Kontrolle?« Pfeiffer merkte auf. »Hat Ihr Mann schon einmal die Kontrolle verloren?«
In Alexandra Kovaceks von Trauer verschleierten Augen stand Entsetzen.
»Ist das ein ›Ja‹?« Nur der sachte Ton schwächte die harte Frage ab.
»Nein, niemals!« Ihre Stimme klang unerwartet energisch. »Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Denn durch die Arbeitszeit wird der Tag zur Nacht und die Nacht zum Tag. Alles, was sie vorher kannten und liebten, ändert sich. Einen Teil verlieren Sie; Freunde wenden sich ab, da man keine Zeit für sie hat … neue Freunde kommen. Daniel war zu sehr Profi, als dass er sich von all dem beeinflussen ließ.«
Pfeiffer glaubte, ein Zögern zu spüren.
»Und Sie?«, kam Nina ihm zuvor.
Alexandra Kovacek errötete. »Eine Frau ist weicher, emotionaler. Ich finde meinen Ausgleich in der Malerei.« Sie wies auf eine Staffelei im Wintergarten. »Und brauche diese Welt hier. Das ist eine reine Vorkehrung als Gegenpol zur Fiktion, in der wir arbeiten. Wenn Sie in diesem Job gut sein wollen, tun sich unvorstellbare Abgründe auf.«
»Was für Abgründe?«, wollte Pfeiffer wissen.
»Tiefe Abgründe.« Alexandra Kovacek schaute hilfesuchend zu der Frau, die ihnen widerstrebend die Tür geöffnet hatte. Ihr Blick wirkte flehend.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten?«, reagierte die Frau prompt.
Pfeiffer war sich sicher, keine einfache Haushaltshilfe vor sich zu haben. Dazu stand ihre Arroganz mit der Unterwürfigkeit zu sehr im Einklang. Jahrelanges Training? Oder angeboren? Auf jeden Fall mussten sie sich mit ihr ­beschäftigen.
»Ich möchte Ihnen meine Freundin und Mitarbeiterin Sarah Lorenz vorstellen.«
»Wir hatten bereits an der Tür das Vergnügen«, erwiderte Pfeiffer.
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee? Oder ein Glas Wasser?«, fragte Sarah Lorenz. Die steile Falte auf Sarah Lorenz’ Stirn strafte die freundlichen Worte der Lüge.
»Wasser wäre gut.« Nina schien erleichtert, die Frau aus dem Raum zu bekommen.
Sarah Lorenz verschwand ebenso unbemerkt, wie sie dem Gespräch beigewohnt hatte. Auch ihr Aussehen hatte etwas Unauffälliges; etwas, das einen ihre Anwesenheit sofort vergessen ließ und das im krassen Widerspruch zu dem arroganten Auftreten stand.
Alexandra Kovacek hingegen strahlte selbst in ihrem jetzigen zerbrechlichen Zustand eine Präsenz und Schönheit aus, die ihre Freundin nie besitzen würde.
Pfeiffer überlegte, ob sich Sarah Lorenz in Gegenwart von Alexandra Kovacek mit der Rolle der unscheinbaren Magd abgefunden hatte. Musste wohl so sein, ansonsten würde die Freundschaft nicht funktionieren. Ständig im Schatten eines anderen zu stehen, bekam keiner Beziehung. Oder gab es andere Gründe?
»Sie weichen der Frage meines Kollegen aus, Frau Kovacek. Welche Abgründe meinen Sie?«
Das Zarte, Zerbrechliche verschwand aus Alexandra Kovaceks Gesicht, nun zeugte es von Entschlossenheit und Energie.
»Ich denke, es ist wie in Ihrem Job, Frau Kommissarin. Jeden Tag all die Leichen und das Blut ertragen zu müssen, stelle ich mir furchtbar vor. Sie haben es doch auch bei Ihren Ermittlungen mit Hindernissen jeglicher Art zu tun. Intrigen, Lügen und menschliches Elend – dazu den Hinterbliebenen die Nachricht über den Tod eines geliebten Menschen zu überbringen, nervende Fragen mit dem Wissen zu stellen, unsagbaren Schmerz zu verbreiten. Wie kommen Sie damit klar? Albträume? Schlaflosigkeit? Ich glaube, Sie machen den Job noch nicht lang genug, um da mitreden zu können.«
Nina schluckte.
»Bei mir geht es nur um Sex. Aber auch das muss man verkraften.« Damit wich jegliche Energie aus ihrem Körper und zurück blieb eine ausgezehrte Hülle.
Sarah Lorenz kam mit einem Tablett zurück und goss ihnen aus einem gläsernen Wasserkrug in feingeschliffene Kelche ein. Angespannt blickte sie in die Runde.
Pfeiffer räusperte sich, um die unangenehme Stille zu beenden.
»Worin genau besteht eigentlich Ihre Tätigkeit«, wandte er sich an Frau Lorenz.
Sarah Lorenz strich eine Haarsträhne hinter das Ohr und nahm steif neben der Freundin Platz.
»Aus Wasser holen zum Beispiel.« Ein kleines ironisches Lächeln umspielte den Mund.
»Sarah«, ermahnte Alexandra Kovacek mit dünner Stimme.
»Entschuldige bitte, aber ich konnte nicht anders.« Sie legte die Hand auf die von Alexandra, was die Katze kräftig fauchen ließ.
»Worin meine Arbeit besteht?«, wandte sie sich an die Ermittler.
»Ich helfe an der Rezeption, der Bar, im Büro, mache die Buchhaltung, plane das Catering, kaufe ein …« Sie machte eine Pause und sah wiederum die Freundin an. »Habe ich etwas vergessen?«
»Du weißt, dass ich dir sehr dankbar bin«, erwiderte Alexandra Kovacek.
Sarah Lorenz lächelte verhalten. »Ich weiß. Tut mir leid.«
Nina Schätzlein wandte sich an die Besitzerin des Clubs. »Und worin bestehen Ihre Aufgaben, Frau Kovacek?«
Alexandra Kovacek schaute perplex auf.
»Der Club ist ein Full-Time-Job, das schafft keiner alleine!« Nervös blickte sie von einem zum anderen. »Das ›White Palace‹ hat sechs Tage die Woche geöffnet. Die Öffnungszeiten müssen abgedeckt werden.« Sie überlegte, als fasse sie die Aufgaben in Gedanken zusammen und sprach entschlossen weiter: »Ich verrichte die gleichen Arbeiten wie Sarah; ergänzend dazu plane ich die Events und das Personal, verwalte die Gästelisten, beantworte die Post, Mails und Anrufe … ebenso wie Daniel.«
Sie stockte. Es fiel ihr schwer, seinen Namen auszusprechen. Erst jetzt schien sie die ganze Tragweite zu begreifen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen und schluchzte: »Mein Gott, Daniel!«
Pfeiffer sah Nina hilflos an. Konnte sie das Weinen stoppen?
Nina holte tief Luft und zog die Augenbrauen hoch.
»Sie erklärten mir eben sehr anschaulich die Abgründe, denen ich in meinem Job ausgeliefert bin«, begann sie. »Mich würde interessieren, welche Abgründe in Ihrem Unternehmen zum Tod von Daniel Kovacek führten.«
Entsetzt riss die Clubbesitzerin den Kopf hoch. »Was …?«
Pfeiffer schluckte. Wo war Ninas Feingefühl geblieben?
Nina ließ nicht locker. »Entschuldigen Sie bitte, aber wir müssen Sie das fragen. Sie haben heute Morgen das Fehlen Ihres Mannes bemerkt und ihn angerufen?«
Sarah Lorenz fuhr auf. »Muss das jetzt sein? Sie sehen doch, wie erschöpft sie ist!«
Unbeirrt wandte sich Nina wieder an die Clubbesitzerin. »Sie wollen doch auch die Todesumstände geklärt haben, oder?«
Alexandra Kovacek putzte die Nase und nickte langsam.
»Was war dann?«
»Es meldete sich die Mailbox. Auch bei dem Anschluss vom Club ging er nicht ran. Ich wusste mir nicht anders zu helfen und bin hingefahren.« Ihre Stimme klang belegt.
»Haben Sie jemanden gesehen?«
»Nein. Ich habe gerufen und dann alles abgesucht … bis ich ihn fand.«
»War er öfters … da oben?«, fragte Pfeiffer gespannt.
Sie schüttelte den Kopf. Tränen liefen über die Wangen.
»Es war das erste Mal?«
»Glaub schon.« Alexandras Unterlippe bebte.
»Und Sie wussten nichts davon?«
Sie schluchzte erneut.
Nina nahm ihr Handy aus der Tasche. »Wir konnten das Handy Ihres Mannes nicht im Club finden. Wissen Sie, wo es sein könnte?«
Alexandra Kovacek hörte abrupt auf zu weinen und schaute sie aus großen Augen an.
»Sie haben es nicht zufällig bei der Suche im Club gefunden?«
Die Witwe schüttelte wie in Trance den Kopf.
»Aber Sie können uns doch sicherlich seine Nummer sagen?«
Mit zitternden Fingern tupfte sie die Tränen ab.
»Warten Sie, ich hole mein Handy«, schaltete sich Sarah Lorenz dazwischen und verließ den Raum, um zwei Sekunden später zurückzukommen. Sie drückte konzentriert einige Tasten, dann nannte sie die Nummer.
Nina tippte sie in das Handy ein. »Danke.«
»Dipdediptip – dideta Bonanzaaaaa …«, erklang der Klingelton gedämpft im Wohnzimmer.
Alexandra Kovacek ruckte auf der Couch umher und lehnte sich dann in die aufgetürmten Kissen. Je lauter das Klingeln wurde, umso mehr versteifte sie sich.
Pfeiffer hielt der Witwe die offene Hand hin. »Darf ich bitten?«
Mit hochrotem Kopf griff sie unter die Kissen, zog ein schwarzes iPhone hervor und reichte es ihm.
Bonanza verstummte.
»Frau Kovacek, auf die Erklärung bin ich jetzt wirklich gespannt.«
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