Diese Frage habe ich mir oft auch schon selbst gestellt. Allerdings stehe ich selbst "hinter dem Rollstuhl". Arbeite genau mit solchen 24 Stunden betreuten Patienten zusammen. Hatte schon unterschiedliche Patienten, von körperlich noch fit und absolut mobil, bis zu Patienten, mit Querschnittslähmung, die nur noch dn Kopf bewegen können. Mein jetziger Patient gehört zu letzten Gruppe, und ist immer und bei allem auf Hilfe angewiesen. Da ich nun keine genau Vorstellung habe, wie stark deine Mobilität eingeschränkt ist, gehe ich mal von einem ähnlichen Härtefall wie bei meinem Patienten aus.
Zum Verständnis für andere, wenn man, wie in meinem Fall 12 Stund Dienste bei jemanden zu Hause macht, wohnt man dort ja schon fast. Man kennt die Familie, Nachbarn, Haustiere, einfach alles. Und eigentlich kann der andere kein Geheimnisse vor einem haben. Heimlich die Schokolade essen aus Liebeskummer funktioniert da genauso wenig, wie eine heimliche Geliebte. In Ruhe gelassen werden, allein sein, lässt die Erkrankung nicht auf Dauer zu. Die Beatmung muss überwacht werden, ggf Sekret absaugen, lagern, aber natürlich auch waschen oder abführen.
Für mich ist und bleibt es aber mein Job. Bin das gewöhnt. Finde meine Patienten angezogen oder nackt nicht eklig. Es ist halt einfach ein Mensch.
Andere Menschen reagieren da aber oft ganz anders. Da kommt jemand im Rollstuhl, hat da so ein Schlauch aus dem Hals hängen, eine Maschine die Lärm macht und noch so einen im Anhang der irgendwie immer hinterher läuft aber dennoch nur seinen Job tut. Von Ekel bis Angst habe ich da schon einiges erlebt. Dann noch die, die einfach Mitleid haben. Und am schlimmsten die, die sich am Unglück anderer erfreuen und so etwas mit dem Smartphone fest halten ! Diese Gruppen, würde ich als potentielle bekannte egal wofür ausschließen. Und leider sind das meiner Erfahrung nach 8 von 10 die so reagieren. Da ist die Gruppe möglicher Partner schonmal geringer als bei "normalen" Singles.
Trotzdem hat jeder einen Wunsch nach Intimität, Sexualität, Nähe , liebe... Dafür habe ich auch vollstes Verständnis. Aber bei einer 24 Stunden Assistent ist man nun mal niemals wirklich allein. Und dann muss eben auch respektiert werden, dass die Pflegekräfte auf der Arbeit sind, und eben keine Sexualität mit ihren Patienten wünschen. Eine absolute Zwickmühle. Wir haben das "recht" dazu laut arbeitsgesetz. Nur das kann der Betroffene nun tun?
Die wunschfantasie ist nun wohl die vollbusige Krankenschwester
aber leider ist die Realität ein wenig anders.
Ich habe da mit meinem Patienten offen drüber gesprochen, dass er sich Filmchen gern auf seinem Handy mit Kopfhörern ansehen kann, ich es aber mir nicht gemeinsam auf dem tv ansehen werde. Mit wem er was schreibt ist mir auch egal. Nur begleite ich ihn nicht zu prostituierten oder stripclubs oder ähnlichen.
Auf Single Partys war ich aber auch schon mit ihm, oder bei einem blind Date. Nur bei Sex bin ich raus. Mag daran liegen, dass ich eine Frau bin.
Meine männlichen Kollegen handhaben das teils anders. Und dann werden dienst einfach mal so getauscht, dass er unternehmen kann, was er will. Für das pflege Team und Patient die beste Lösung.
Somit weiß ich, dass es professionelle Damen gibt, die kein Problem mit Behinderungen haben oder sogar genau sich darauf spezialisiert haben. Das wirst du nur nicht " im Bordell um die Ecke " finden. Bei meinem Arbeitgeber gibt es eine Sozialarbeiterin, die sich mit allen Problemen beschäftigt. Eben auch Sex. Und die solche Anlaufstellen vermittelt. Habe mir es von ihr mal erklären lassen, dass diese Damen eine medizinische Ausbildung haben. Also dein Assistent kann die an der Zimmertür abgeben und muss nicht mit rein kommen. Die Damen können dann auch z.b. mal absaugen, oder dir die Hose aus und wieder anziehen.und du kommst nur mit einem Grinsen wieder heraus.
Andersherum gibt es auch Hausbesuche.
Aber eigentlich möchtest du ja eine Liebesbeziehung. Aber das halte ich für echt schwierig. Habe für mich selbst da öfters drüber nach gedacht. Für mich ist es nicht denkbar. Man wäre nie allein, es wäre eine große Verantwortung, Spontanität ist sehr schwer, man hat einen recht starren Tagesablauf, und man kann ja einfach nicht alles zusammen machen. Habe es ja sogar schon erlebt, dass man mich im Kino 20 Reihen weiter hinten hinsetzen wollte, statt mir einfach einen Stuhl zu geben, damit ich neben dem Rolli sitzen kann.
Für mich wäre eine gute Möglichkeit, jemand in einer ähnlichen Situation. Genau das wollen viele nicht. Aber ich habe das bei einer Patientin schonmal erlebt, dass es prima klappen kann. Auch eine beatmete Rolle Fahrerin. Hat sich in jemanden von der Arbeit (behinderten Werkstatt) verliebt. Mit sehr ähnlichen Krankheitsbild. Bei gemeinsamen Aktivitäten wussten beide, wo sie hin konnten mit den Rollstühlen. Wo Stufen waren, zu enge Gänge...auch Zärtlichkeiten konnten ausgetauscht werden. Die Pfleger mussten zwar beide erstmal im ein Bett bekommen
aber dann hat man das Zimmer verlassen. Und falls man leider stören musste, weil der Alarm schrillte, waren die beide daran gewöhnt und nicht sehr peinlich berührt.
Es ist nun viel Text geworden. Weiß nicht, ob es dir weiter hilft. Aber vielleicht reicht es für einen neuen Gedankengang.
LG Anja