Ein Toast! mit kaltem Kaffee
Geschichten die ich schon oft in diesem Forum gelesen (oder auch selbst miterlebt) habe. Zuletzt in kurzer Folge: Eine junge Frau versucht, ihre Beziehung im zweiten Anlauf besser zu führen, fragt, ob es funktionieren kann. Ein junger Mann kämpft um einen Neuanfang seiner beendeten Beziehung.Und immer wieder finden sich Postings(oder Teile davon) in denen zu lesen ist:
Wärme niemals alten Kaffee auf, denn er hinterlässt immer einen bitteren beigeschmack.
augewärmte sachen sind eh meist nur brühe.
...aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich eine aufgewärmte Beziehung genau wie aufgewärmter Kaffee verhält:
Es sieht aus wie Kaffee
Es riecht vielleicht auch noch wie Kaffee
Aber es schmeckt nicht mehr wie Kaffee...
Eigentlich ist es dann auch kein Kaffee mehr!
Es sieht aus wie Kaffee
Es riecht vielleicht auch noch wie Kaffee
Aber es schmeckt nicht mehr wie Kaffee...
Eigentlich ist es dann auch kein Kaffee mehr!
Ich verstehe nicht ganz, warum hier eine zwischenmenschliche Beziehung mit einem Genußmittel vergleichen wird.
Moment mal...
Kaffee ist ein Konsumgut.
Damit die einen ihn genießen können, werden andere ausgebeutet und mißbraucht.
Und wenn sie(die Kaffeemaschine) kaputt ist, dann wird nicht versucht, sie zu reparieren, sondern sie wird weggeworfen und eine neue besorgt(vorzugsweise, weil heute sehr einfach, verbunden mit online-Schnäppchenjagd).
Okay, ich verstehe doch - die Ähnlichkeit zu moderner Auffassung von Partnerschaft/Beziehung ist eindeutig.
Viele Anschaffungen, die vor einiger Zeit noch auf lange Sicht gemacht wurden, deren Wert man sich bewußt war, und die zu wertvoll waren, um sie einfach wegzuwerfen, wenn sie mal nicht so funktionierten wie
gewünscht und die darum repariert wurden, sehen heute anders aus.
Die Globalisierung macht es möglich, vieles gibt es zu einem Dumpingpreis, der eine Reparatur im Falle eines Defekts unwirtschaftlich macht - Wegwerfen und Neukaufen ist einfach kosteneffektiver.
In der Steigerung macht es das Internet heute noch einfacher, die Billigpreise zu vergleichen und den allerbilligsten zu finden.
Ist es mit Beziehungen genau so? Sind sie keine so wertvolle "Anschaffung" mehr? Ist es in der emotionalen Kosten/Nutzen-Rechnung effektiver, das ganze bei Nichterbringung der gewünschten Funktionen abzuhaken? Ist die landesweite (Online-)Suche nach der nächsten "Ausstattung" mit optimierter Paßform die bessere Alternative zu dem Versuch, das was jetzt nicht so läuft wie gewünscht wieder, möglicherweise mit viel harter, langwieriger, oft frustrierender Frickelsarbeit, in eine gemeinsame Bahn und wieder auf Trab zu bringen? Ist das Risiko, feststellen zu müssen, daß man auch bei sich selbst in unangenehmer Arbeit ein paar Dichtungen erneuern und Dioden austauschen muß, die im laufenden Betrieb verschlissen wurden und an deren Nicht-Funktionieren man sich schon gewöhnt hatte(so man es überhaupt bemerkte), zu groß?
Versteht mich nicht falsch - einen völlig verschmorten Toaster mit geschmolzenen Plastikteilen und durchgebrannten Glühfäden sollte man zur Sicherheit aller Beteiligten nicht mehr verwenden. Aber wie oft wird etwas "in die Tonne gekloppt" ohne das überhaupt mal geguckt wurde, ob vielleicht nur ein Schalter ausgetauscht werden müsste - eine Kleinstarbeit, sobald der Fehler gefunden wurde. Wie oft kniet man sich wirklich rein und versucht herauszufinden, was denn nun schief lief?
Ist da vielleicht die Befürchtung, sich zu sehr festzulegen? Durch zu lange bestehende Einflüsse durch sein Umfeld in der Selbstentfaltung/-verwirklichung eingeschränkt zu werden?
Natürlich geben "Neuanschaffungen" auch die Gelegenheit, sich neu zu orientieren, seinen persönlichen Stil neu zu definieren - und das loszuwerden, was einem nicht mehr so genehm war. Selbst DVD-Recorder sind gegen Festplattenrecorder doch schon Schnee von gestern, und warum sollte man sich mit weniger Bequemlichkeit zufriedengeben?
Genug der Metaphern: Was mich hier angetrieben hat ist, wie sehr mir in den letzten Jahren, zunehmend in den letzten Monaten auffiel, wie leicht zum "Hinschmeissen" geraten wird, oft ohne weitere Ausführungen.
Sicherlich gibt es mehr als genug Fälle, die hoffnungslos sind, und wo es für alle das beste ist, die Sache zu beenden.
Aber wie oft wird das nur durch die Ausführungen eines Threaderstellers so erscheinen, und oft nur weil sie vom Lesenden so aufgefasst werden? Sicher kann der Ratschlag, es weiter zu versuchen, genauso gut falsch sein wie der, sich schnellstmöglich zu verkrümeln. Aber es ist immer eine Sache, selbst schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, und eine andere, anderen aufgrund einiger Zeilen Text zu raten, dieses und jenes zu tun, um derartige Erfahrungen zu vermeiden. Ich nehme mich übrigens davon nicht aus, daß mir auch schon spontan beim Lesen von derartigen Themen durch den Kopf ging "Auweia, hake den/die/das ab" und ich dem auch vorschnell Textform gegeben habe.
Möglicherweise bin ich zu positiv, zu romantisch oder beides. Aber ich habe lieber auf einer zerfetzten Fahne "Liebe" stehen, als auf einem strahlenden Banner "Individualismus".
Dein Vater ist kaputt
aber du bist es nicht
Zerbeult und verbogen
und vielleicht nicht ganz dicht
Aber irgendwo darunter bist du seltsam o.k
Beinah unversehrt unter allem, was weh tut
[Wir sind Helden - "Kaputt"]
In diesem Sinne,
Darkling
Disclaimer: Ich habe die Schreiber der o.g. Zitate nicht erwähnt, weil es nichts zur Sache tut, sie waren nur grad für mich exemplarisch, und viele andere haben sinngemäß ähnliches geschrieben oder gesagt. Ich bin mir sogar sicher, daß sie diese Vergleiche in der Absicht das Bestmögliche zu raten genannt haben. Und egal ob die Schreiber der Zitate in diesem Moment die von mir beschriebene Einstellung tatsächlich vertreten oder nicht, die reine Aussage ist für mich wortgewordenes Kondensat dieser Geisteshaltung.