Wenn jemand einen Fetisch bzw. eine sexuelle Besonderheit hat, ist es erst mal wichtig, dass man sich als Partner darüber klar wird, dass für den anderen das eigene Bedürfnis genauso fremdartig erscheint wie einem selbst der Fetisch erscheint. Ergo darf man nicht davon ausgehen, dass "das und das" ja wohl normal sei und keiner weiteren Diskussion bedürfe. Nur, weil andere Partner zuvor das genauso sahen wie man selbst, ist das nicht selbstverständlich.
Ich tu einem Sexualpartner gern weh. Für mich ist es schwer bis unmöglich nachzuvollziehen, wie man da anders fühlen kann. Pornos ohne so etwas geben mir nichts, Liebesszenen in Romanen auch nicht. Das soll kicken? Nackte Haut, endloses Streicheln, am besten noch Knutschen, lecken, Blasen, Brüste ablutschen? Äh, ja. Okay. Und wann wird es jetzt spannend?
Wenn ich also an jemanden geraten würde, der da komplett anders tickt als ich, müsste der mir auch erst mal erklären, warum das so ist. Und vermutlich könnte er es genauso wenig wie du es kannst. Nur, weil die Leute etwas "normalerweise" mögen, soll es mir jetzt auch gefallen? Auch, wenn es in mir einfach keine Reaktion auslöst, egal, wie gut der Mann riecht, wie sehr ich mich mit ihm verbunden fühle, egal, wie sehr ich seine Träume teile und ihm ein Leben voller Glück an meiner Seite wünsche. Aber wenn ich ihn liebe, will ich es auf die Art tun, die sich fürm ich natürlich anfühlt - und das bedeutet Schmerzen, Hingabe, Sadismus, Absätze in nackter Haut, Schläge, Genitalfolter, Verehrung und hin und wieder Switchen.
Wenn jemand all das nicht tun will - ja, ich weiß, für Nicht-SMer erscheint das kaum nachvollziehbar - dann frage ich mich nach einigen Monaten, ob er mich überhaupt liebt. Also, mich, die Frau, die ich nun mal bin, mit all diesen komischen Fantasien und Kinks. Wenn er mich wirklich liebt, muss er das doch auch wollen? Immerhin gefällt es mir so schrecklich. Und immer, wenn ich ihn sehe, immer, wenn meine sexuellen Schalter umgelegt werden, will ich all diese Sachen mit ihm tun. Wenn ich mir vorstelle, jedes, aber auch wirklich jedes Mal, wenn mein Begehren hochkocht, muss ich auf alles verzichten, was mir gefällt, und stattdessen Kalter-Kaffee-Zeugs machen, was mir mit Müh und Not, wenn ich mich geistig ganz stark konzentriere, einen halbgaren Höhepunkt beschert, mich nachher aber trotzdem gefühlt unbefriedigt zurücklässt ...
Ich liebe ihn doch! Ich will mit ihm zu den höchsten, intensivsten Höhen fliegen, die ich mir vorstellen kann! Ich will von ihm in den Abgrund gestürzt werden und ihn in den Abgrund stürzen, ich will, dass das Universum aufhört zu existieren und nur noch er und ich übrig bleiben. All das, was ich in einer wirklich, wirklich schönen und intensiven SM-Session ganz, ganz selten tatsächlich in voller Intensität und Schönheit erleben kann.
Wenn er jetzt von mir verlangen würde, im Namen der Liebe auf alles zu verzichten, was Sex und Nähe für mich zu etwas Besonderem macht, und mich stattdessen auf das zu beschränken, was "man", was "andere" für normal halten ... Ich sag dir eins, ich würde recht schnell zu dem Punkt kommen, wo ich das Gefühl habe, dass ER mich nicht mehr liebt. Wahrscheinlich würde ich SM-Pornos zum Ausgleich konsumieren, aber es wäre nicht das Gleiche und nicht das, wonach ich mich eigentlich sehne.
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Wenn er mir allerdings erklären könnte und würde, was ER bei dem mag und liebt, was mir so flach und unbefriedigend erscheint ... Also, keine Platitüden wie "Das ist doch normal" oder "Meine Exfreundinnen mochten das alle, warum du nicht?" ... Dann würde ich versuchen, es zu verstehen. Wenn er mir sagt "Wenn das und das ist, dann ist das für mich die ultimative Nähe, das ultimative Vertrauen, dann fühle ich mir dir nah, ich will das erleben" - und wenn er gleichzeitig versuchen würde, gemeinsam mit mir nach Wegen zu suchen, wo auch etwas von dem, wonach ich mich tief im Innern sehne, umgesetzt werden kann ...
Dann denke ich, dass wir binnen ein, zwei Jahren mit Trial and Error und gemeinsamem Herumsuchen Wege finden könnten, wo manchmal er und manchmal ich wenigstens einen Teil von dem finden könnten, wonach wir uns sehnen. Und wenn der Rest der Beziehung und der Liebe es wert sind, dann wird das, was wir finden, ausreichend sein.