Deep Throat oder aus dem Alltag einer Cucumis sativus
© Ginger2014Eigentliche sollte ich heute als kalte Gurkensuppe enden, doch meine Einkäuferin hat andere Pläne. Ihr Freund liegt ihr seit Jahr und Tag in den Ohren, die sog. sexuelle Spielart „Deep Throat“ endlich mal auszuprobieren. Nun, wir Salatgurken wissen davon nichts, wir wachsen aus einer Blüte heran, in der Hoffnung irgendwann den Gaumen eines anderen Lebewesens zu ergötzen.
Doch das Leben ist ein Arschloch. Misstrauisch gucke ich in zwei braune Augen, die in das Gemüsefach des Kühlschrankes linsen und mich erblicken. Eine schmale Frauenhand ergreift meinen schlanken Leib und nimmt mich an sich. Ich wusste heute schon beim Aufwachen, dass es ein Scheiss-Tag werden wird. Ein ungutes Gefühl, die Vorahnung von etwas Unaussprechlichem. Zu meinem Erstaunen werde ich in das Bad getragen.
Die junge Frau steht vor dem Spiegel und hält mich dann unter den Wasserkran. Wenig später sehe ich einen rot geschminkten Mund, weit aufgesperrt. Dann geht es für mich abwärts in eine warme, nach Pfefferminze rieichende Höhle. Nun gut, es ist hier weicher, als das Messer, dass ich eigentlich in meinem der Sterblichkeit dienenden Leib erwartete.
Menschen sind seltsame Wesen, doch ich lasse mich mal überraschen. Ich sehe etwas vor mir, rosig, fleischig, dann höre ich ein würgendes Geräusch. Oh, Verzeihung, ich habe Dich mit meinem Ende berührt, Du komisches, zuckendes Gebilde. Ich werde wieder ans Licht katapultiert, raus aus dem dunklen Schlund. Erneut werde ich gewaschen, kaltes Wasser benetzt meine grüne Schale, von dem Pfefferminzgeruch ist mir übel und ich japse etwas.
Die Fahrt in das dunkle Loch geschieht diesmal behutsamer, als würde sich ein Rettungsteam zu einem verunglückten Höhlenforscher langsam abseilen. „Vooorsicht!“ schreie ich stumm. Als ob mich die Frau erhört hätte, ist das Bugsieren meines Leibes nun von fast zärtlicher Natur und ich fühle mich fast wohlig, etwas schläfrig angesichts der feuchten Wärme. Die Fahrt geht auf und ab, mir wird fast schwindelig und ich werde noch grüner.
So geht das eine gefühlte Ewigkeit, dann bin ich wieder im Licht. Die braunen Augen sehen mich an, wenden mich, drehen mich. Dann werde ich endlich aus dem Badezimmer getragen, zurück in die Küche, da, wo mein Schicksal besiegelt wird. Demutsvoll gebe ich meinen Geist in die Hände der Köchin, die da sagt „Never ever“ und versterbe mit dem schönen Gefühl, am Ziel meiner Bestimmung angelangt zu sein.
Die Schnitte schmerzen nicht einmal, denn ich weiß, ich werde mich sehr wohl in dem edlen-Porzellan-Teller fühlen und mit dem Kerbel auf mir "Fangen" spielen ...