Beginnen
möchte ich mit einem Ausschnitt aus dem Text Desiderata, den Max Ehrmann 1927 schrieb:
Ertrage freundlich-gelassen den Ratschluss der Jahre, gib die Dinge der Jugend
mit Würde auf. Starke die Kraft des Geistes, damit sie dich in plötzlich
hereinbrechendem Ungluck schütze. Aber beunruhige dich nicht mit Einbildungen.
Viele Befurchtungen sind die Folge von Erschöpfung und Einsamkeit.
Bei einem gesunden Maß an Selbstdisziplin, sei gut zu dir selbst.
Ist es nicht so, dass wie es heißt "Alles im Leben seine Zeit hat"? So wechseln Jahre der Verantwortlichkeit für Andere wie Familie, Untergebene, den Beruf schlechthin, mit Jahren der Für-Sorge um sich selbst. Ich fände es schlimm, wenn ich mir sagen müsste, dass ich in irgendeiner dieser Zeiten etwas versäumt oder gar falsch gemacht hätte. Wie man jeweils dazu steht, ist Sache der Erfahrung und Reifung. Später sieht man dann alles abgeklärter als im Moment (Kierkegaard: "Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden".)
Nicht nur bei mir war die Andropause mit ihren depressiven Verstimmungen ein Neubeginn, ein Überdenken des Bisherigen. Wenn man sich in dieser Zeit nicht selbst verliert, kann eine neue, ganz anders akzentuierte Lebensphase beginnen, die auch die Einstellung zu Partnerschaften ändert. Und dann gibt es tatsächlich ein Leben vor dem Tod, das den Namen LEBEN tatsächlich verdient.
Bewertungen, ob das ein Leben nach Maß, im Übermaß oder gar maßlos ist, stelle ich nicht an. Ich versuche, es den gegebenen Möglichkeiten nach zu gestalten ohne in ein Korsett oder in einen Regelkäfig zu geraten. Da ich den kategorischen Imperativ Kants immer als einzige feste Regel in mir trage, denke ich, dass ich das nicht nur darf, sondern vor allem auch sollte.