Die Frage empfinde ich als schwierig.
Ich finde es schrecklich, vielen Menschen ihre Liebesfähigkeit abzusprechen, nur weil sie sich selbst nicht lieben können. Ich denke schon, dass Menschen grundsätzlich in der Lage sind, jemanden zu lieben. Wenn man sich aber selbst lieben kann, im Sinne von sich selbst annehmen mit seinen Fehlern und "dunklen Seiten", nicht seinem eigenen Ideal entsprechend, kann man Andere vielleicht noch anders lieben.
Lilli1964 hat das schön ausgedrückt mit der Liebe, die nicht mehr bedürftig ist. Ich denke, dass diese Art von Liebe schon voraussetzt, dass man sich selbst wenigstens annehmen kann. Vermutlich gibt es, wie bei allem, auch hier Ausnahmen (wie
Trigon vermuten lässt), aber grundsätzlich würde ich das erstmal so festhalten.
Seit ich mich annehmen und lieben kann, seit ich mir selbst genug bin (ohne, dass ich auf andere Menschen verzichten mag - eben nur ohne die allbekannte Abhängigkeit), kann ich anders lieben als zuvor. Ich kann lieben, ohne dass ich es brauche, auch geliebt zu werden. Ich kann so lieben, dass ich meinem Gegenüber das Beste für sich wünsche, unabhängig davon, ob da dann ein Platz für mich ist oder nicht, ob ich damit zu tun habe oder nicht. Das bedeutet nicht, dass es nicht schmerzen würde oder dass es mir leicht fiele, beinahe egal wäre - das bedeutet nur, dass mir das Glück meines Gegenübers, dessen, für den ich Liebe empfinde, wichtiger ist, als dass ich Teil habe daran. Oder auch ganz banal, selbst wenn ich weiß, dass es ihn oder sie nicht glücklich macht, es doch die Entscheidung dieser Person war und ich sie aus Liebe respektieren kann, ohne dass es mich zerstört (selbt vorübergehend). Natürlich tut es dennoch weh, und natürlich würde ich mir wünschen, dass es anders wäre, aber es ist okay.
Seit ich mich annehmen und lieben kann, kann ich annehmen, was Menschen mir geben wollen. Sei es ihre Liebe oder eben auch nur ihre Zeit. Seien es Gedanken oder Gefühle. Ich kann auch annehmen, dass sie möglicherweise gar nichts mit mir teilen wollen, auch wenn ich das gern würde. Ohne dass es mich zerstört, auch wenn es mich natürlich verletzt. Ich bin nicht mehr davon abhängig, das zu bekommen, was ich geben mag. Ich kann geben, was ich mag - solange mein Gegenüber es nehmen mag -, ohne etwas dafür zu erwarten. Und wenn es nicht genug ist, was ich dafür bekomme, kann ich mich abwenden und das Richtige für mich tun, ohne dem Anderen böse zu sein, ohne mich abgewiesen zu fühlen. Es hat nunmal nicht gepasst, das ist weder meine noch seine / ihre Schuld.
Ich habe für mich das Gefühl, dass sich selbst annehmen, sich selbst lieben können eine Voraussetzung ist, andere sein lassen zu können, wie sie sind. Sie nicht länger ändern zu wollen, und auch anzunehmen, wenn sie sich nicht entwickeln wollen. Wenn sie weiter in ihrem Schmerz leben wollen. Aber auch, wenn sie sich in Richtungen entwickeln, die ich vielleicht nicht gut heiße. Natürlich ebenfalls, wenn sie sich entwickeln und das in eine Richtung, die ich gutheißen kann. Aber das ist nicht meine Aufgabe, nicht an mir zu bewerten, was für diese Person richtig ist. Ich kann Menschen annehmen, wie sie sind, unabhängig davon, was ich von ihren Entscheidungen halte. Ich kann sie lieben, ohne dass sie sind, wie ich sie gern hätte. Ich kann sie sogar lieben, ohne dass sie Teil meines Lebens sind und anders herum. Es ist nicht länger notwendig, dass sie bestimmte Rollen erfüllen oder Bedingungen. Meine Liebe ist nicht mehr abhängig davon, was für eine Art von Beziehung ich mit diesem Menschen habe.
Entsprechend ist es mir möglich, das Beste für diesen Menschen zu hoffen, und seine Entscheidungen zu respektieren, aber auch gleichzeitig auf mich selbst zu achten und dafür zu sorgen, dass ich alles habe, was ich benötige (was nunmal ganz einfach meine Verantwortung ist).
Für mich war Selbstliebe notwendig, um Menschen zu lieben, ohne dass es eine bedürftige Liebe ist. Es war notwendig, um ihre Liebe annehmen zu können, auch wenn es manchmal noch schwer fällt. Und es war notwendig, um sie lieben zu können, ohne es an Bedingungen zu knüpfen - um sie sein lassen zu können, wie sie sind. Es war notwendig, um zu lieben, ohne eine bestimmte Art von Beziehung haben zu müssen oder Teil ihres Lebens sein zu müssen.
Selbstliebe ist nicht wichtig für Liebe generell. Aber für mich ist sie wichtig, um mein volles Potential an Liebe zu entwickeln. Um sie von Bewertungen und Bedingungen abzuknüpfen und sie einfach sein zu lassen, ohne entweder mich oder meinen Gegenüber zu beschneiden, in bestimmte Rollen zu quetschen, ...
Entschuldigt die Wall of Text.. ^^"
War etwas schwierig, ordentlich in Worte zu fassen, und ich wiederhole mich sicherlich..