Josef
Ein paar Worte vorweg:Wieder ist uns ein Jahr unter den Händen zerronnen. Die dunkle Jahreszeit ist angebrochen, nur erhellt von der merkantilen Aussicht auf konsumfreudige Weihnachten. Alljährlich, um diese Zeit, beschleichen mich, vermutlich befeuert vom abendlichen Starren in die Adventskerzen, merkwürdige Gedanken. Es ist Raum, einmal in sich zu gehen, das eigene Leben und Handeln kritisch zu bewerten, aber auch einige geistige Arbeit an Traditionen, Überlieferungen und ihre Wirkung auf uns zu investieren. Einmal den Standpunkt wechseln und durch fremde Brillen schauen.
In früheren Zeiten pflegte ich gute Freunde und Bekannte mit diesen Gedanken in Form von kleinen Geschichten zu traktieren. Ein mir befreundeter evangelischer Pfarrer trug einst am heiligen Abend, in bester Absicht, meine damalige Adaption eines Weihnachtsfestes in der heiligen Familie, von der Kanzel vor. Der Inhalt: Ein vom Konsumterrorismus geplagter frühpubertärer Jesus verlangt statt Weihrauch und Myrrhe eine Playstation und wird nach heftigem Wortwechsel von Josef darob geohrfeigt. Damit sorgte mein Bekannter für beträchtliche Diskussionen in seiner Gemeinde und ich bin mit der Herausgabe meiner „häretischen“ Pamphlete seitdem sparsamer umgegangen.
Heuer hat mich der heilige Josef beschäftigt. Eine Figur, die in der Kirchengeschichte, zu unrecht, wie ich finde, ein kümmerliches Randgruppendasein führt. Der Weihnachtsabend aus seiner Sicht, ist Thema der diesjährigen Geschichte. Ich wünsche viel Vergnügen damit. Vielleicht wird sie ja dem einen oder anderen zum Denkanstoß.
Josef
Ein kräftiges Kerlchen, dieser Jesus. Rosig, rund und kerngesund.
Josef nagte an der Unterlippe, während er das Neugeborene in eine schmuddelige Decke wickelte. Die alte Eifersucht tauchte wieder auf, wie der falsche Schekel beim Wucherer. Seit König David hatte es keine solch unglaubliche Geschichte gegeben. Am 26. März war es gewesen, als Maria ihm, - nach einem abendlichen Zug mit ihren Mädels durch die Gemeinde -, morgens beim Frühstück die Story mit dem Engel aufgetischt hatte. Gabriel, sollte der Kerl geheißen haben.
Gut, im reichen Nachtleben Nazarets tummelten sich einige schräge Vögel. Nicht ausgeschlossen, dass in jenen Zeiten des Hedonismus, - natürlich von den dekadenten Römern eingeschleppt -, einer dieser durchgeknallten Burschen als Engel verkleidet unterwegs war, um der einen oder anderen Jungfrau an die Wäsche zu gehen.
„Schalom“, soll er in gepflegtem aramäisch verkündet haben „demnächst wirst du Mutter, denn heute kommt der heilige Geist über dich!“ Coole Anmache. Den Satz hatte sich Josef gemerkt. Wer weiß, wie man ihn noch mal brauchen konnte. Maria hatte grinsend geantwortet:
„Ecce ancilla Domini, fiat mihi secundum verbum tuum” und ließ ihn stehen. Der Engel muss ganz schön blöd geguckt haben. Er konnte ja nicht wissen, dass Maria perfekt Latein sprach. Angeblich war sonst nix weiter passiert. Fragt sich nur, warum Maria erst um vier Uhr früh nach Hause kam. Ihr sei ein wenig übel, bemerkte sie, während sie nach den sauren Gurken suchte. Josef war Handwerker, eher einfach gestrickt und ließ seiner Maria so manches durchgehen. Schließlich war man verlobt und nach der Hochzeit würde er die Zügel schon anziehen, denn das Weib sei dem Manne untertan, steht nicht umsonst geschrieben.
Neun lange Monate hatte er seine zwischenzeitlich Angetraute gelöchert. Besonders als ihr Bauch zunehmend runder wurde. Sie habe ihrer Geschichte nichts hinzuzufügen, beteuerte sie stets. Die Freuden des Ehelebens hatte sie ihm allerdings bislang verwehrt. Nun saß er da, umgeben von Ochs und Esel, im zugigen Stall zu Bethlehem. Maria schlief, der Knabe ebenfalls. Die herumlungernden, nach billigem Fusel riechenden Hirten hatten ein Feuerchen aus Kameldung entfacht und machten die Sache auch nicht leichter. Ein Engel habe sie geschickt, behauptete einer mit schwerer Zunge. Wieder dieser Gabriel, dachte Josef. Er musste sich auf ihre Spur gesetzt haben und ihnen den ganzen Weg von Nazaret gefolgt sein. Vermutlich traute er sich nicht selbst in den Stall, um die Frucht jener Nacht zu begutachten. Jedenfalls hatte Josef beträchtliche Zweifel. Hier stimmte etwas nicht.
Egal, seufzte er bei sich. Nun ist er einmal da, der Kleine. Ich werde ihn beizeiten in die Lehre nehmen und einen ordentlichen Zimmermann aus ihm machen. Die Auftragslage ist gut, die Römer brauchen Kreuze. Mit diesen Gedanken hüllte er sich in seinen Mantel und schlief ein.
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* Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du gesagt hast.
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