Müssen wir nicht bei jedem Wort davon ausgehen, dass es auf eine Reaktion abzielt?
Eine spannende Frage :). Gut möglich. Da kann man natürlich auch noch mal grübeln, ob Reaktion und Veränderung das Gleiche sind. Ist mir aber gerade zu anstrengend.
Kommunikation beinhaltet IMMER genau das, was Du gerade als so schrecklich verwerflich auseinanderzupuzzeln versucht hast. Nämlich den Versuch, eine Veränderung zu erreichen.
Es steht dir frei, zu versuchen, bei deiner Kommunikation mit den Mitmenschen Veränderung in ihnen hervorzurufen. Verwerflich finde ich das nicht, ich würde aber vermutlich bei einem Grillfest früher oder später einen Grund finden, aufzustehen und mich einer anderen Gesprächsgruppe anzuschließen. Ich fühle mich bei Leuten am wohlsten, die ausstrahlen, dass ich so, wie ich bin, in Ordnung bin und nicht erst noch verändert werden muss.
Aber vielleicht würdest du bei dem Grillfest ja auch spannende Geschichten erzählen, die mich zum Lachen bringen, ohne den Hintergedanken, mich verändern zu wollen? Dann würde ich mich mit anderen spannenden Geschichten revanchieren, die dich hoffentlich auch zum Lachen bringen. Und hinterher gehen wir beide nach Hause und sind noch die gleichen Menschen, die wir vorher waren, wurden nicht verändert, haben aber eine schöne gemeinsame Erinnerung mit viel Lachen.
Wir würden nicht kommunizieren ohne diesen Hintergrund. Warum auch?
Tja. Reaktion oder Veränderung? ;). Klar, jede Reaktion ist eine Veränderung eines vorigen Zustandes. Der Kontext, in dem du es verändert hast, war jedoch eine Veränderung eines Zustandes in einen anderen
von dir gewünschten Zustand: Langsameres Essen.
Da sehe ich noch mal einen Unterschied.
Dark_Amber:
Wenn ich bei lieben Worten befürchten müsste, dass dahinter der Versuch steckt, mich irgendwie durch die Blume zu verändern ... Nee. Dann würde ich aggressiv werden.
Dieser Satz ist Klasse. Genau: WENN Du den Versuch einer Manipulation befürchten müsstest.
Was, wenn Du es nicht bemerkst?
Dann würde ich mich vermutlich nur subtil unwohl fühlen und mich irgendwann fragen, warum ich mich nach einem Essen gehen mit dir immer so müde, schwach und irgendwie falsch und wertlos fühle, während andere Menschen bewirken, dass ich mich wohl und voller neuer Energie fühle, wenn ich Zeit mit ihnen verbracht habe.
Und irgendwann würde ich meine Antennen schärfen und die Zusammenhänge begreifen und mich abgrenzen. Oder ich hätte Freunde, die mir sagen: "Hey, immer, wenn du dich mit XY getroffen hast, bist du danach voller Selbstzweifel und wir müssen dich erst wieder neu aufbauen ... Kann es sein, dass die dir nicht guttut?"
Damit kommen wir zur nächsten Frage von dir:
Und was möchte eine "ehrliche" Botschaft erreichen?
Die Aussage meiner Freunde wäre genau eine solche ehrliche Botschaft, wie ich sie meine. Und die würde erreichen wollen, dass ich mitkriege, was geschieht, und die Welt ein klein wenig besser durchschaue, um gezielter nach einem Platz im Leben suchen zu können, wo ich mich wohlfühle.
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Deine Ausgangsfrage war:
Sagen wir nicht viel zu oft das Richtige, das Wahre und vergessen darüber nachzudenken, ob es sich für den Partner gut und richtig anfühlt?
Es gibt verschiedene Arten, das Richtige und Wahre zu sagen. Verletzend und nett. Wenn die nette, aber aufrechte Botschaft (
wenn denn eine Botschaft nötig ist, was erstaunlich selten der Fall ist, wenn man die Verschiedenheit von Menschen als gegeben respektiert) der Regelfall wird, fühlt sie sich in Freund- und Partnerschaften normalerweise auch gut und richtig an.
Richtiger jedenfalls als subtile Botschaften, die nett klingen und durch die Blume vermitteln, dass ich so, wie ich bin, nicht richtig sein kann. Das nennt man übrigens Doublebind, dieses "nett klingen und etwas meinen, was nicht nett ist". Und inzwischen bin ich bei so etwas ziemlich sensibilisiert und ziehe ganz schnell die Reißleine.