Mit Stolz ...
... geschwelltem Brüstchen
kann auch ich nun verkünden, dass ich – obwohl glühende Verehrerin von Einzeilern – nun alle Texte gelesen habe ... [Gestern wollte ich nur KURZ darauf hinweisen, dass es zwar ‚kein richtiges Leben im falschen gibt’, aber doch eines über den Club hinaus ...]
Zunächst vielen Dank für Eure Statements!!!! Wenn Ihr mich sehen könntet, sähet Ihr – wieder einmal – Stirnrunzeln ...
Ich glaube kaum, dass es mir gelingen wird, auf alles einzugehen und ich habe ein kleines Problem damit, dass wir hier womöglich zuuuuuuu historisch werden könnten. Lt. Lexikon kommt das Wort „Stolz“ vom lateinischen „stultitia“ = Torheit. Das oder etwa die Verwendung in der Theologie ließe ja womöglich noch ganz andere historische Interpretationen zu. (Ich muss allerdings gestehen, dass ich mich damit nie beschäftigt habe.)
Wenn ich (historisch) zunächst mal
@*******pain folge, dann hat das Wort Stolz mit dem Bürgertum einen entscheidenden Sinneswandel erfahren.
zu a)
stolz sein
• in der Adelsgesellschaft quasi durch Geburt (ohne eigenes Zutun)
• im Bürgertum durch eigene Leistung.
Nun leben wir ja aber immer noch, zumindest in Teilen, in einer bürgerlichen Gesellschaft, und Sprache an sich und die mit Wörtern verbundenen Wertungen sind nicht statisch. Wenn ich mir beispielsweise ansehe, wie „Frau-Sein“ oder auch „Sex“ zu Beginn des Bürgertums definiert und benutzt wurden, möchte ich im Gebrauch trotzdem oder gerade deswegen nicht auf diese (historische) Begrifflichkeit und die damit verbundenen Wertungen zurückgeworfen werden.
Auf eine Art bin ich also Bürgerin, die Werke vollbracht hat, die ihr nicht in die Wiege gelegt waren und die also eine Leistung vollbracht hat und daher einen gewissen Stolz empfindet.
Stellt mich das automatisch auf eine Stufe mit einem schnöseligen Adeligen des 18. Jahrhunderts? Nö. (Nebenbei bemerkt @******Mec: Auch adelige Persönlichkeiten sind nicht „autark“.) Mit einem Kapitalisten/Bürger, der die Parole „Haste was, dann biste was!“ verinnerlicht hat? Nö.
Meine Kriterien für Leistung können ja andere sein, als die gesellschaftlich vorgegebenen. (Ich bin zum Beispiel nicht reich ...
) Mein „Keck- und Kühn-Sein“ ist AUCH abhängig von meinem Wertesystem, das nicht in allem mit den gesellschaftlich vorgegebenen Normen konform geht. Macht mein Stolz mich automatisch zu einer arroganten Zicke? Nö. Nicht, dass ich wüsste, obwohl ich bestimmt auch schon mal arrogant sein kann. (Und das, obwohl ich keine Ahnung habe, wo dieses Wort nun wieder herkommt.) Für mich ist Abgrenzung auch nicht per se schlecht, Überheblichkeit wäre es schon eher ...
Mein Stolz ist eher Ausdruck einer Zufriedenheit mit mir und meinem Selbstbewusstsein.
Bevor man das „Stolz-Sein“ also vorschnell ad acta legt, müsste man sich evtl. über Werte oder Leistungskriterien unterhalten.
Wären wir damit schon wieder beim bdsm oder bei Sexualität im Allgemeinen? ? Ich weiß es nicht.
zu b)
stolz sein auf jemanden
– benutzt vorrangig im Erziehungsverhältnis ...
Und so sehe ich den bürgerlichen Vater um 1880, der kraft seiner Autorität seinen Sohn zu allen möglichen Dingen zwang, die diesem gegen seine Natur gingen, und wenn dieser sich schliesslich der väterlichen Autorität gebeugt und entsprechende Leistung gezeigt hatte, klopfte ihm der Vater auf die Schulter und sagte: "Mein Sohn, ich bin stolz auf dich!".
Nun soll sich ja auch die Erziehung gewandelt haben ... (Nebenbei bemerkt ist die Psychoanalyse m.W. bestimmt nicht wegen bürgerlicher Traumata entstanden, aber das ist hier nicht Thema.)
Ich sehe zwar (leider) viele absolut Furcht erregende Eltern, aber ich sehe auch andere: diejenigen, die ihre Kinder lieben und deren Liebe sich u.a. darin ausdrückt, dass sie ihren Kindern möglichst viele Räume und Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen und sie nicht nur in vorgegebene Normen pressen möchten.
Nun ist die Liebe zu unseren Kindern in dem Sinne – ebenso wie die Pädagogik - auch erst mit dem Bürgertum entstanden, aber auch sie ist deshalb m.E. nicht per se schlecht. ... Wir sind alle Kinder unserer Zeit.
Ich habe meinem Sohn noch nie GESAGT, dass ich stolz auf ihn bin, ich EMPFINDE es nur manchmal so. Für mich hat dieses Gefühl mit einer ganz besonderen Be-Rührung zu tun und damit, dass ICH (obwohl klein in der Welt, letztlich absolut marginal etc.) auch wunderbare Spuren in seiner Seele hinterlasse. (Ich werde dort wohl auch negative Spuren hinterlassen, das erfüllt mich nicht mit Stolz, das nehme ich mal als menschlich hin.)
Im Verhältnis zu Freunden, Partnern, also zu anderen Erwachsenen kenne ich eine solche Empfindung nicht (im Gegensatz zu @****ie), obwohl ich im Zusammensein mit ihnen natürlich auch etwas bewirke.
Hier kann ich also
@*******pain gut folgen und die Formulierung „Ich bin stolz auf dich!“ aus meinem aktiven Wortschatz sofort streichen – mein Gefühl wird dann irgendwann folgen, hoffe ich mal.
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Hm. Wo sind wir jetzt?
Ich komme nochmal auf @*******ain zurück:
Der Stolz ist in BDSM-Beziehungen wichtig, weil es bedeutsam ist, wenn er durchbrochen wird.
...
Aber der Partner, der kennt die Tretminen, die mich ausrasten lassen. Und er liebt meine Weichheit, wenn er mich eingefangen, meinen Stolz wissend gezähmt hat.
Stolz ist brüsk und provokativ. Das Gegenstück muss ihn aushalten können. Mit ihm umgehen können.
Die Wortwahl „durchbrechen“ ist mir persönlich zu hart. Ich denke da eher an ein ‚elastisches Material’.
Ja. Stolz ist brüsk und provokativ. Und er bedarf eines passenden Gegenübers. Ebenso wie ich das Spiel mit meiner Scham liebe, liebe ich das Spiel mit meinem Stolz. Das ist etwas, was mich und meine Grenzen bewegt und anregt, und auch deshalb, aber nicht nur deshalb möchte ich nie schamlos oder ohne Stolz sein. Auch für mich hat das etwas mit „zähmen“ zu tun und mit Momenten, in denen ich auf wunderbare Weise meine „Ruhe“/meinen „Frieden“ finden kann und möchte.
So weit erstmal, einen lieben Gruß an die Mitschreibenden und Mitdenkenden
MM
PS: Wenn mir irgendjemand (!!) im Netz schreibt, er sei stolz auf mich wegen irgendetwas ... – entlockt mir das ein Lächeln, arrogant, wie ich bin ...