Woher, wohin?
Um Menschen zu beherrschen, muss man ihre Triebe beherrschen. Diese einfache Losung machen sich seit eh und jeh die verschiedenen Religionsgemeinschaften zu nutze, ebenso wie die diversen Herrschaftshäuser und Regierungen.
Mit Vorschriften bezüglich Ernährung (insbesondere Fasten) und der Kanalisierung des Sexualtriebs gelingt es die Menschen in bestimmte Bahnen zu lenken. Propagiert wird dies meist in moraliner Verpackung, sodass ein sich auflehnen umso schwerer wird, da es kein "Gesetz" sondern ein gesellschaftlich verankerter Mechanismus ist, der über Mißbilligung funktioniert.
Bis 1968 etwa waren die gesellschaftlichen Entwicklungen in Ost und West gleich. Beide hatten ja eine gemeinsame Vergangenheit. Lediglich die Namen der Organisationen wurden verändert, Symbole ausgetauscht und einige Gesetze entschärft oder abgeschafft.
In der BRD führte diese Erkenntnis (Kiesinger, Filbinger, Globke, Vietnamkrieg usw.) dazu, dass eine AußerParlamentarische Opposition (APO) entstand. Alles was bis dahin Gültigkeit hatte, wurde grundsätzlich in Frage gestellt, so auch die sexuellen Regelwerke. Gefördert durch die Anti-Baby-Pille und das Fehlen von AIDS, konnte alles ohne Schranken ausgelebt werden. Dies berührte zwar direkt nur einen Teil der Bevölkerung aber der andere Teil guckte neidisch drauf oder wünschte alles zur Hölle.
In der weiteren Folge entstand eine zunehmende Befreiung der Sexualität, die lediglich durch katholische Striktionen eingedämmt wurde. Bekanntlich dauert ein Befreiungsprozeß zwei Generationen, also etwa 30 - 40 Jahre. Als die Mauer fiel, war daher der Zeitpunkt der gesellschaftlich breiten Umsetzung gekommen.
In der DDR verlief dieser Prozeß anders. Das absolutistische Regime der Stalin - Ära, vertreten durch Ulbricht, wollte die Menschen weiterhin absolut beherrschen und verkündete daher eine eher stringente Sexualmoral.
Als mit Honecker und einer (zwar im Vergleich eher schwachen, aber dennoch vorhandenen) Wohlstandsära der Druck auf die Bevölkerung nachlassen konnte, suchten sich die Menschen in der DDR ein Ventil für ihre innerlichen Bedürfnisse nach Freiheit. Die legendären Pfingsttreffen, nahezu überall geduldetes FKK, Erleichterung von Scheidung, Abschaffung des §175, Pille und Abtreibung problemlos und die Anti - Haltung zur katholisch dominierten BRD ließen der Sexualität relativ freien Raum.
Diese Entwicklung war eine der wenigen nicht staatlich gesteuerten Veränderungsprozesse und daher auch nach der Wende noch als gut angesehen.
Was in der DDR nicht möglich war, war die innere Freiheit. Die Schere im Kopf wurde schon den Kleinkindern eingepflanzt (mensch bemerkt diese übrigens erst, wenn sie entfernt wurde), daher war auch das Ausagieren der Sexualität auf den (vermeintlich oder tatsächlich) vorhandenen Spielraum begrenzt.
Zusammenwachsen:
Diese beiden Teile Deutschlands treffen nun also an einem Punkt zusammen, an dem auf der einen Seite der gesellschaftliche Umbruch (immer bezogen auf die Sexualmoral) gerade vollzogen wurde und auf der anderen Seite zwar schon umgesetzt und gelebt aber nicht mit innerer Freiheit gefühlt wurde.
Fazit: Nach außen hin wirken die sexuellen Lebensteile der Ossis und Wessis gleich, da sie auf einem vergleichbaren Stand angelangt sind. Die Herkunft und die noch unvollendeten Anteile sind jedoch unterschiedlich.
Es ist daher mit besonderer Spannung belegt, wie die jetzt gemeinsame Entwicklung weitergeht, denn hier besteht die gute Chance, dass sich etwas zusammenfügt, was wirklich zusammenpasst (nicht NUR sexuell gesehen).
Francesco