Erwachen /9
Als Helena die Treppen hinauf kam, fiel ihr sofort auf, dass die beiden Flügel ihrer Zimmertür weit geöffnet waren. Eilig lief sie durch den Flur und blieb vor ihrem Bett stehen. „Gebieter…?“
Sinthoras hatte es sich auf ihrem Bett bequem gemacht. Lässig lag er mit seinem geöffneten Kimono und hinter dem Kopf verschränkten Armen in den Kissen. Ein lustvoller Schauer durchfuhr die Blondine bei diesem Anblick und brachte ihre Säfte zum fliessen. Unbewusst presste sie ihre Beine zusammen.
„So schliesst doch die Tür“ forderte sie der Fürst auf „Und dann holt Nyreide zu uns. Ich habe auch mit ihr etwas zu besprechen“.
Helena zog die Türflügel ins Schloss, verriegelte sie und schaute sich etwas unschlüssig um bevor sie die Wendeltreppe zu ihrem Bad hinaufeilte.
„ Ich habe eure Wanne schon gefüllt“ rief Sinthoras ihr nach „Und lasst euch ruhig Zeit. Ich nutze die Gelegenheit und frische mein Wissen über Drachen etwas auf“.
„Er hat es gut temperiert“ bemerkte Nyreide anerkennend „Und es ist sauber“.
Die Nymphe stieg geschmeidig aus dem Wasser und betrachtete im Spiegel ihr glasklares Ebenbild. „Jetzt kannst du reintun was du willst“.
„Du magst es nicht wenn ein Badeöl im Wasser ist?“ fragte Helena ihre Schwester und liess ihren Blick über das Regal mit den duftenden Ölen wandern. `Vanille und eine Spur Zimt` kam es ihr in den Sinn. Mit schnellen Handbewegungen entkorkte sie die Flaschen, träufelte etwas von deren Inhalt ins Wasser und liess sich in die Wanne gleiten.
„Das Öl ist nicht so schlimm“ erklärte die gläserne Frau und ergriff einen knallroten Lippenstift „Das was da drin ist, damit sich das Öl auch im Wasser verteilt, das ist das Problem. Ich mag es nicht in mir haben. Es fühlt sich falsch an und ich bekomme es nicht aus mir heraus“.
„Und die Temperatur“ wollte die Blondine wissen. Interessiert schaute sie zu wie die Nymphe versuchte ihre Lippen zu schminken „Was ist damit?“
„So lange ich nicht einfriere oder verdampfe ist das egal“.
Resigniert legte Nyreide den Lippenstift zurück. Er wollte einfach nicht haften. „Aber so warm zu sein wie du ist schon angenehm“. Neugierig öffnete sie Helenas Puderdose und steckte einen Finger hinein. Eine dünne Spur heller Farbpigmente drang in ihren Zeigefinger ein und verteilte sich gleichmässig über die Oberfläche ihrer Hand.
„So was brauche ich. Und zwar in allen möglichen Farben“
„Was willst du damit?“
„Na, mich schminken. Was denn sonst“
„Wir können ja morgen in die Stadt. Da gibt es so einen Laden, die haben bestimmt auch Aquarellfarben“.
„Und was ist hiermit“ Die Nymphe öffnete neugierig eine weitere Dose und schaute hinein.
Helena hatte sich, als sie mit Margret in der Stadt war, nach anfänglichem Zögern dann doch noch in einer Parfümerie mit allem Nötigen und auch einigem Unnötigen eingedeckt.
„Das ist doch viel zu dunkel für dich“ Nyreide schaute in den Spiegel und beobachtete abschätzend ihre Schwester „Das ist eher was für Yvonne“.
„Ihr wollte ich es ja auch geben“ bestätigte die Blondine „Aber ich hab`s vergessen“.
Schnell breitete sich der bronzefarbene Puder auf der Nymphe aus „Na dann brauchst du ihn ja nicht“.
Interessiert musterte Helena die nun gleichmässig bronze-braun gefärbte Wasserfrau. „So gehst du höchstens als Schaufensterpuppe durch“ lachte sie „Dir fehlt es eindeutig an Kontur“.
Schnell durchstöberte Nyreide die Schminkutensilien der Blondine, verwarf das eine, verleibte sich das andere ein und öffnete zu guter Letzt einen wahren Malkasten mit Lidschatten.
„Nein“ protestierte Helena „Der war teuer“.
„Ach was“ wiegelte die Nymphe ab „Du kannst dir doch morgen auch neue Farben kaufen“ und absorbierte nach und nach einen Grossteil der Puderplättchen.
Die Blondine stieg aus der Wanne, stellte sich hinter Nyreide und betrachtete sie abschätzend. „Naja, du siehst zwar eher aus wie gemalt. Aber wenn man nicht so genau drauf achtet fällt das eigentlich kaum auf“.
Helena strich ihrer Schwester anerkennend über den Arm, die Schulter und griff ihr dann ins dunkelbraune Haar. „Naja, nur die Haare, die bekommst du nicht so richtig hin. Die sind zu strähnig. Aber wir sollten ihn nicht so lange warten lassen“.
Nyreide drehte sich um und legte ihrer Schwester wortlos eine Hand auf die Schulter. Das Wasser, das sich noch in den Haaren und auf der Haut der Blondine befand, floss an ihr herab und verschwand im Abfluss. „Ich bin mal gespannt was Sinthoras zu meinem Aussehen sagt. Und um seine Verwirrung noch zu steigern…“ Nyreide schaute sich suchend um, fischte dann Saxarba mit einem Grinsen aus der Wanne und setzte ihn sich auf die Schulter „…lass mir einen kleinen Vorsprung, ja?“
Helena nickte, bürstete sich noch ausgiebig das Haar und folgte ihrer Schwester nach unten.
Sinthoras blickte auf als Nyreide den Raum betrat, legte das Buch zur Seite, erhob sich dann betont langsam und umrundete die beinahe perfekt eingefärbte Nymphe.
„Einen Menschen könnt ihr damit täuschen“ behauptete er anerkennend.
„Ich finde eher dass sie wie ein Gemälde aussieht“ bemerkte Helena etwas schüchtern als auch sie den Raum betrat.
„Ich hab einfach noch nicht genug Farben“ verteidigte sich die Nymphe „Und die Übung fehlt mir ja auch noch“.
Der Dämon umrundete die Schwestern noch einmal abschätzend und legte sich wieder aufs Bett.
„Es tut mir aufrichtig Leid das ich nur an den Abenden Zeit für euch habe“ sein Blick wanderte von Helena zu Nyreide und wieder zurück „Und dann auch nur aus einem bestimmten Grund. Aber noch haben wir ein paar Lidschläge der Unendlichkeit bis die Abendröte gänzlich verblasst“.
Helena setzte sich auf die Bettkante und schaute den Dämon mit wachsender Begierde an. „Ich weiss ja warum ihr so beschäftigt seit“ erklärte sie mit niedergeschlagene Augen „Und ich tue es ja auch gerne…für Margret“
„Ach, nur für Margret“? fragte der dunkle Fürst mit einem breiten Lächeln „Und ihr habt nichts davon“?
Die blasse Blondine errötete, wohl wissend dass ihr Gebieter ihre zunehmende Erregung registrierte. Verlegen schaute sie zu Nyreide die ihren hilfesuchenden Blick allerdings ignorierte und so tat als wenn es für sie im Moment nichts Wichtigeres gäbe als mit Saxarba zu spielen.
Aufgeregt mit den Flügeln schlagend versuchte er immer wieder in ihren Finger zu beissen, den sie ihm auffordernd hinhielt. Als er es dann doch einmal schaffte schaute er die Nymphe mit grossen Augen an und liess das eingefärbte Wasser wieder aus seinem Maul tropfen.
„Bis morgen Abend werde ich mit dem Elixier für Margret noch beschäftigt sein“ wechselte Sinthoras das Thema wofür ihm Helena einen dankbaren Blick schenkte „Und am Morgen danach werden wir nach Hohenschnee aufbrechen. Packt also morgen was ihr braucht und fahrt noch mal in die Stadt und kauft euch ein paar Kleider und was ihr sonst noch braucht. Auf Hohenschnee und vor allem in der Ortschaft werdet ihr nicht immer unbekleidet sein können“.
„Nyreide braucht auch noch andere Farben“ bemerkte Helena „Und meine Kleider sollten wohl besser schulterfrei sein“ Mit einem raschen Seitenblick zu Ihrer Schwester, die immer noch mit Saxarba beschäftigt schien, redete sie weiter „Das er sie nicht verletzt, kann ich verstehen. Und bei euch? Kann euch überhaupt was verletzten“?
Sinthoras verneinte mit einem leichten Kopfschütteln
„Aber wieso verletzt er mich nicht? Ich meine…“ Die Blondine schlug die Bettdecke zurück und deutete auf eine grosse ausgefranste Kuhle am Fussende „Da schläft er immer“ wieder schaute sie fragend ihren Gebieter an „Seine Schuppen sind messerscharf und seine Krallen haben den Küchentisch ruiniert“.
„Was steht denn darüber in dem Buch“? wollte Sinthoras wissen.
„Nur dass er den, der ihn trägt, nicht verletzt“ Wieder schaute Helena zu Nyreide und Saxarba hinüber „Aber das erklärt es nicht“.
Nachdenklich musterte der Dämon den kleinen Drachen „Navarre und Erravan, zwei Drachenreiter werden zum Fest nach Hohenschnee kommen“ und schaute aufmuntern wieder zu seine Gefährtin „Die könnt ihr fragen“.
Nyreide stand unterdessen am Fenster und wartete darauf dass auch noch das letzte Glühen der untergehenden Sonne am Horizont verblasste.
Ihr Gebieter hatte ihr, von Helena völlig unbemerkt, Instruktionen für den heutigen Abend gegeben.
Diese kurze Unterredung vor ihrer Schwester geheim zu halten war der Nymphe nicht schwer gefallen da sich Helena geradezu in Rage geredet hatten.
Doch die in ihr, durch die erhaltenen Anweisungen, hochschäumende Lust konnte sie nicht vor ihrer Schwester verbergen.
Helena schaute ihre Schwester mit offenem Mund und weit geöffneten Augen an. Beinahe verschämt legte sie eine Hand in ihren so plötzlich pulsierenden Schoss.