Herzrasen

Eine Nacht, aus dem Leben.

Langsam sinke ich zurück auf den Dielenboden und breite meine Arme aus, erfüllt von der Sehnsucht nach deiner Berührung. Ich liege dort, auf dem Boden, wie ein gefallener Engel.

Mein Herz rast deinen Namen. Jeder pulsierende Stoß, der mein Blut durch meine Adern presst, ruft Deinen Namen und verlangt nach dir.

Ich greife zu der Fernbedienung, drücke wahllos auf Play und warte gebannt welch Klänge sich durch meinen Gehörgang schlängeln werden.

Sanft erklingt die eindringliche Stimme von „le grand corps malade“ und streichelt meine Seele.

Ich denke zurück an unsere erste Nacht.

Dunkle Schleier legten sich sanft und behütend über die Stadt. Dort oben, auf dem Dach, waren wir frei und dennoch geborgen. Kleine Nebelschwaden bildeten sich vor unseren Gesichtern, die Kühle der Nacht kondensierte unseren Atem.

Wir saßen eng beieinander, ohne es jedoch zu wagen, den anderen auch nur zu berühren. Wir blickten in den Innenhof, der uns den Blick nach unten bot und betrachteten in stiller Eintracht das müde Treiben der Bewohner des Blocks. Aus dem Ghettoblaster ertönte "Somewhere beyond the sea" und wir tranken kühles Blondes und Sherry, um die Götter gnädig zu stimmen. Gedankenversunken hingen wir unseren Sehnsüchten nach.

Zufällig oder magisch drehten wir einander unsere Gesichter zu. Unsere Augen fixierten sich, ließen nicht mehr los voneinander und wir sagten uns alles, was wir wissen mussten ohne ein Wort zu sprechen. Mir stockte der Atem. Unweigerlich hielt ich die Luft an. Ohne uns aus den Augen zu lassen näherten wir uns, nur Millimeter trennten deine Lippen noch von den meinen. Alles in mir konzentrierte sich nur noch auf dich und deine Lippen. Diese perfekt geschwungenen, samtenen Lippen. Eine Strähne deines Haares fiel dir unperfekt ins Gesicht. Ich wollte Sie dir zurückstreichen, hob schon meine Hand. Aber es war schön so wie es war, also ließ ich meine Hand wieder sinken, um so dann in deinem warmen Atem, deinen weichen Lippen und deiner tastenden Zunge zu versinken.

Könnte ich Gefühle in Unsterblichkeit konservieren, so wäre dies der perfekte Moment gewesen.

Sanft richteten sich die feinen Härchen auf meinem Körper auf und Schauer voller Erwartungen rieselten wie warmer Sommerregen auf mich nieder, meine Gedanken flüchteten sich in die Ahnung darüber, wie es sein könnte den Moment mit dir gefangen in gegenseitiger Faszination auszukosten. All meine Sinne und all mein Sehnen wurden mit der Patina deiner Nähe beschichtet.

Quälend langsam, wie in Zeitlupe, löstest du dich von mir. Mein Körper fühlte sich an, wie der sacht nachhallende, langsam sterbende Ton einer Klaviertaste. Wir schauten uns wieder in Augen, versunken ineinander noch nicht realisierend, was soeben durch diesen zarten, innigen Kuss ausgelöst wurde.

Da warst du nun seit ein paar Stunden ständiger Begleiter meiner Gedanken und ich fragte mich immerzu, wie bei einem Sprung in einer zu oft gehörten Schallplatte, kann das sein? Dieses Verlangen, dieser Wunsch es herausfinden zu wollen wurde fast übermächtig. Ich war eine Gefangene meiner eigenen Vorstellungskraft. Wie konntest du mich aus meiner gewohnten Sicherheit reißen? Ich wusste einfach wie sehr du fortan meine Gedanken beherrschen würdest. Das ich Nächte lang keinen Schlaf finden würde und in meiner Idiotie versuchen würde Antworten im Wein zu finden.

Vollkommen unambitioniert hast Du mich dann in den Arm genommen, mich gehalten und mir Wärme gespendet. So saßen wir da, über den Dächern dieser Stadt, die im Morgengrauen gemächlich wieder zu dem pulsierenden Alltag heranwuchs. Wir sprachen nicht. Mussten wir auch nicht. Es gab keine Worte für diesen Abend und diese süßen Momente voller Versprechen.

Die letzten Töne von La Nuit verklingen. Mein Puls beruhigt sich. Mein Atem reguliert sich. Ich öffne die Augen und finde mich wieder in meinem Wohnzimmer auf dem Fußboden liegend. Mir wird bewusst, ich habe dieses Gefühl konserviert und trage es bei mir bis zu meiner eigenen Sterblichkeit.