Für meine Daseinsberechtigung
Es gibt in der Szene der sexuell aufgeschlossenen Menschen (Swingerszene ist ein entsetzlich unpassendes Wort) in der wir uns hier bewegen, anscheinend einen starken Drang zum Konformismus. Begründet ist dieser Drang vermutlich darin, dass man sich innerhalb der Gesellschaft selbst als Nonkonformisten sieht, jedenfalls was die Sexualität betrifft.
Das beginnt beim Thema "Treue", bei dem hier am lautesten protestiert wird, unterstellt jemand den Swingern notorische Untreue. Natürlich ist Swinger nicht gleichbedeutend mit "notorisch untreu", aber erkläre das doch mal Lieschen Müller mit ihrem allsamstäglichen Blümchensex, har, har.
Weitere Themen sind die Auswahl der Unterwäsche (String obligatorisch), das Benutzen von Kondomen , die vermeintlich tolerante Geisteshaltung, und eben das Entfernen der Schambehaarung (gerne auch "Schambeharrung" genannt).
Die zum Teil sehr abstrusen Argumente FÜR die Rasur werden dann mit den immer gleichen Aspekten gebetsmühlenartig wiederholt: Hygiene, Aussehen, keine Haare im Mund, Gepflegtheit, um die gängigsten zu nennen. Als ob es nicht ausreichte, die eigene Vorliebe darzulegen, wird allerdings (und das ist das Schlimme an der Sache) jeder verteufelt, der nicht dieser Meinung ist: Igitt! Eklig! Unhygienisch! Dinosaurier! Das sind die Sachen, die man sich anhören muss, wenn man nicht derselben Meinung ist.
Der Witz ist der, dass ich mich selbst manchmal rasiere, mir aber die Geisteshaltung, die damit einherzugehen scheint, sowas von zuwider ist, dass mir die Unrasierten in aller Regel wesentlich sympathischer sind. Deswegen platzt mir natürlich auch der Kragen, wenn sogar in einem Fred, der augenscheinlich den Rasurbefürwortern die Tränen in die entzündeten Augen treiben müsste, angefangen wird, für die eigene (kümmerliche) Geisteshaltung zu werben. Nicht einmal dort, wo sie eindeutig Fehl am Platz sind, können sie ihren missionarischen Eifer zügeln.
Das ist natürlich auch der Grund, weswegen die Klingenhasser Rückzugsgebiete brauchen, mithin der Fred seine Daseinsberechtigung erhält. Wie sagte einst Kurt Tucholski dazu:
Unterschätze nie die Macht dummer Leute, die einer Meinung sind.