Keine Generationenfrage
Nein, der Meinung bin ich nicht. Ich bin z.B. eine Alt-68erin. Damals war es . an der Uni überall üblich, zu Duzen, auch zwischen Erstsemester-Studenten und Professor, und das setzte sich auch in vielen anderen Bereichen durch.
Das ist heute allerdings anders.
Ich habe inzwischen viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht, in einem skandinavischen Konzern mit Konzernsprache Englisch, da wurde jeder mit Vornamen angeredet, bis hin zum Konzernchef, aber es wurde dennoch nie die Hierarchie verwischt zwischen Chef und unterstellten Mitarbeitern.
In einem amerikanischen Unternehmen habe ich gelernt, dass die von uns Deutschen vermeintlich als einfach empfundene englische Sprache durchaus ihre Tücken hat, wenn es um korrekte Umgangsformen geht, weil damit auch kulturell bedingte Unterschiede einhergehen. So ist z.B. die häufig gehörte Satzeinleitung: "Why don't you...?" mitnichten eine freundliche Frage, der ich nachkommen kann oder auch nicht, z.B. "Why don't you see me at three o'clock today and let me know about the actual situation?" Auf diesen Satz eines Vorgesetzten lautet die Antwort in keinem Fall "oh, I'm sorry, I have another appointment already, can we make it 5 instead?", sondern das ist eine klare Anweisung(!), um 15 Uhr beim Chef zu erscheinen und einen Situationsbericht über den Projektstand abzugeben.
Im privaten Umfeld wäre es zwar hier akzeptabel, wenn man selbst den genannten Termin gerne auf eine andere Uhrzeit verlegen möchte, allerdings wäre auch da zu beachten, in welcher Situation man ist: unter Geichgestellten geht es, wenn das Gegenüber eine wesentlich ältere Person ist, es geht nicht, wenn die Sprechende eine Dame ist und das Gegenüber ein Herr, dann wäre es unhöflich, wenn der Herr den von der Dame gesetzten Termin versuchen würde zu verschieben etc. etc.
Und das auch in diesem Thread angeführte "you can say you to me" klingt ausschließlich für deutsche Ohren spaßig, für englische Muttersprachler keinesfalls.
Dort ist es ein Paradebeispiel für unangebrachte Dummdreistigkeit, mit der leider wir Deutschen oft in Verbindung gebracht werden, da uns international gerade in Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation wenig Höflichkeit, Feingefühl und Schliff nachgesagt wird..
Inzwischen wird auch in Deutschland wieder verstärkt Wert auf Umgangsformen gelegt, was ich persönlich sehr angenehm finde, weil sich dadurch m.E. auch eine gewisse gegenseitige allgemeine Wertschätzung ausdrückt.
Ich war später langjährig Personalchefin eines deutschen mittelständischen Finanzdienstleisters, und dort gehörte es zum Pflichtkanon der Weiterbildung for Mitarbeiter aller(!) Hierarchiestufen, dass sie einen Benimmkurs durchliefen, bei dem ausführlich genau solche Dinge gelernt und eingeübt wurden. Auch z.B. die Unterschiede in unterschiedlichen Kulturen, Begrüßungs- und Vorstelluingsrituale sowie Tischmanieren, auf dass die Mitarbeiter für sämtliche gesellschaftlichen Situationen, sowohl im beruflichen wie im privaten Umfeld gut gerüstet seien.
Und es ist mit Umgangsformen wie mit allen Regeln - erst wenn ich sie tatsächlich souverän beherrsche, kann ich es mir erlauben, situativ zu entscheiden, dass ich eine solche bestehende Regel bewußt breche, ohne dass dies negative Folgen haben wird, weil ich nur dann eine seriöse "Risikoabschätzung" zu machen in der Lage bin.
Solange Du nicht weißt, welchen Hintergrund und welche Erwartungshaltung die Frau hat, die Du anflirten willst, tust Du gut daran, erst einmal die sichere Seite einzunehmen und regelkonform zu handeln, bevor Du Dich in die Nesseln setzt.
Frauen mögen es in der Regel, wenn Männer sich gut zu benehmen wissen und ihnen auch durch ihre Umgangsformen nonverbal zeigen, dass sie sich bei ihnen aufgehoben fühlen können.