Als Kind wollte ich von einem Buffet auch schon immer von jedem etwas.
Hast Du auf die vernünftigen Erwachsenen gehört, die Dir einreden wollten, "das geht doch nicht" oder "das tut man nicht"? Du isst also am Buffet immer nur von einem Gericht, nehme ich an.
Ich kann mich nicht auf eine Person festlegen.
Das ist eine Negativ-Defintion. Wer sagt denn, dass ich mich auf eine Person festlegen SOLL oder gar MUSS? Die Gesellschaft? Da gibt es ja in anderen Kulturen durchaus Unterschiede. Die geliebte Person vielleicht? Was gibt ihr das Recht dazu? Oder glaube ich es am Ende sogar selbst, dass ich das müsste / sollte?
Ich bin ein Freund davon, sich von hinderlichen oder unnötigen Glaubenssätzen zu befreien, Dinge für sich selbst neu zu durchdenken und dann seine eigene Moral zu formulieren.
... denn das Entwickeln eines Besitzanspruches als höchste Lebensform (mein Auto, mein Haus, meine Frau...) reicht bei uns tief in das Gedächtnis unserer Kultur zurück ...
Ja, Eigentum verpflichtet auch. Wäre es nicht schöner, die positiven Seiten nutzen zu können, ohne überflüssige Verpflichtungen?
Nehmen wir mal ein Cabrio. Wenn ich eines fahren könnte, ohne es zu besitzen, dann wäre das meine liebste Option. Kein Neid, keine Sorgen - nur die Freude am Fahren. Was ist denn der Mehrwert von Besitz, der über den Gebrauchswert hinaus geht?
Inbesitznehmen ist in der Tat bei Sachen eine tief verwurzelte, implizite Handlung. Ein Auto muss gepflegt und gewartet werden, damit es seinen Gebrauchswert auf Dauer entfalten kann. Da macht Besitz auch Sinn, denn irgendwer muss sich ja darum kümmern. Volkseigentum ist da bisher in der Realität kein allzu positives Modell gewesen.
Lebewesen sind jedoch grundsätzlich in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Dafür geniessen sie auf der anderen Seite (Handlungs-) Freiheit. Ich weiß nicht, wie jemand in diesem Jahrhundert darauf kommen kann, das Besitzdenken von Dingen auf Menschen zu übertragen. Die Sklaverei ist ja eher auf dem Rückzug, habe ich neulich gehört.
Wenn sich also zwei Menschen begegnen, übernimmt jeder zuerst die Verantwortung für sich selbst - und gibt dann das, was er dem anderen geben möchte oder kann - wenn man so will als Nutzen oder Gebrauchswert aus der Beziehung. In einer Beziehung erhöht sich so der Nutzen für beide Beteiligten.
Warum sollte man diesen positiven Nutzen durch Exklusivität einschränken wollen, solange die Beziehung beiden was bringt? Es sei denn, man sieht in der Exklusivität selbst einen Nutzen. Ausser bei Liebes- oder Sexbeziehungen habe ich jedoch selten gehört: "Du darfst keine anderen Freunde neben mir haben" oder "Du darfst nur mir mir als Kollegen Kontakt haben" - klingt irgendwie seltsam, oder? Würde sich vermutlich niemand gefallen lassen... Warum also in einer Liebesbeziehung?
ist man tatsächlich polyamourös veranlagt?
Ich glaube nicht, dass es Veranlagung ist. Eher die eigene Erkenntnis, dass man damit gut bzw. sogar besser leben kann. Einfach weil man sich nicht mehr dem Druck der "gesellschaftlich Norm" aussetzt. Dazu muss man das Modell nicht unbedingt leben - es reicht m.E. aus, wenn man weiss, wie man in dieser Hinsicht tickt. Dann ist man erst einmal offen dafür - und das ist die wichtigste Grundvoraussetzung, um es auch bei nächster Gelegenheit anders zu machen als bisher.