schweigen ist knistern....
ich denke jeder hat seine kleinen schwächen, seine sünden, mit denen er in der partnerschaft ein wenig geheimniskrämerei betreibt. nichts wildes, verruchtes, so etwas wie die absurd teuren schuhe, die wir dann als schnäppchen hinstellen und 100 euro billiger machen. oder das glas nutella, das garantiert gegen jede art von stress und kummer wirkt. oder die sporadischen treffen mit dem ex, dessen freundschaft uns auch lange nach beziehungsende noch wichtig ist. es sind die kleinen geheimnisse, die uns am verletzlichsten gegenüber dem menschen machen, der uns am besten kennt: unser partner. nichts sorgt so sicher dafür, dass wir uns schuldig fühlen, wie sein kommentar: "wie, nutella? du wolltest doch abnehmen."
die amerikanische psychologin christiane kraft alsop hat diese kleine heimlichkeiten in beziehungen erforscht und fand heraus: jeder hat sie. tatsächlich wissen meist beide partner davon und rühren dennoch nicht an ihnen. deshalb nennt frau kraft alsop sie relative geheimnisse. ihre studie zeigte, daß die paar am glücklichsten waren, die sich gegenseitig geheimnisse zustanden.
manchmal treffe ich auf eines dieser "wir erzählen uns alles" paare, die stolz gucken und einander an den händen fassen. im ersten moment packt mich dann immer der neid....und die sehnsucht nach
genau soviel emotionaler verschmelzung. doch meist meldet sich dann schnell wieder mein verstand und mein unterbewusstsein und
reagiert beklommen auf die liebe als offenbarungseid.
siegmund freud stellte schon früher fest, daß viele ehen an "diesem
mangel an gegenseitiger diskretion zugrunde gehen". um sich stets wieder aus neue erobern zu können, müsste hinter jedem gelüfteten
geheimnis ...noch ein allerletztes...zu ahnen sein. für ihn war "recht auf frage" durch das "recht auf geheimnis" begrenzt.
es gibt einfache dinge, über die möchte man nicht mit seinen partner sprechen. weil sie nur einen selbst, aber nicht die beziehung
betreffen. zum beispiel wieviel geld man tatsächlich jeden monat für kosmetik & schuhe ausgibt. das würde er nie verstehen. muss er auch gar nicht! oder daß man im keller , ganz hinten links, eine kiste mit fotos & briefe & andenken seiner exlover hat. wer den anderen liebt, läßt ihm seine geheimnisse. selbst wenn man beim gute-nacht-kuss genau die heimlich gerauchte zigarette schmeckt.
was wir besonders ungern beichten, finde ich, sind dinge, die uns nicht so gut dastehen lassen, zumindest unserem empfinden nach.
oder wenn wir unsere eigenen vorsätze brechen - und uns selbst am meisten darüber ärgern.
manchmal sind es auch wünsche, die der andere nie erfüllen könnte. genau dafür gibt es ja das kopfkino, das nur solovorführungen auf dem programm stehen hat.
geheimnisse ermöglichen es, uns und unsere bedürfnisse von denen unseres partners abzugrenzen. deshalb klingt die " totale verschmelzung " als paar ja auch nur in der theorie so gut. bei mir stellen sich da die nackenhaare.....was psychologen in bezug auf kleine kinder und ihre geheimnisse herausgefunden haben, lässt sich wunderbar auf die erwachsene liebesbeziehung übertragen: erst wenn kinder
geheimnisse haben wie zum beispiel das süßigkeitenversteck oder schummeleien bei den hausaufgaben, entdecken sie ihre unabhäng-
igkeit und individualität. eltern, die ihren kindern suggerieren, sie
wüssten alles und könnten alles kontrollieren, halten ihre kinder in
einer ungesunden abhängigkeit. sie geben ihnen das gefühl, kein recht auf was eigenes zu haben. übertragen auf partnerschaften be-
deutet das: wer in seiner beziehung zu wenig raum und privatsphäre
hat, fühlt sich eingeengt und wird sich früher oder später sagen hören....du, ich brauche mehr abstand!
ich lese im internet gar nicht noch mal eben den "spiegel online", sondern surfe auf den seiten der " in style", ein anderer wienert heimlich sein auto als sei es ein lebewesen. jeder von uns kennt die
kleinen ticks des anderen, ohne dass wir sie zum riesenthema machen.
liebe ....braucht rückzugsräume. die freiheit, sich nicht rechtfertigen zu müssen, selbst wenn der andere weder alles weiß noch alles versteht. klar kann das zeitweise auch heikel werden. besonders wenn es darum geht, die geheimnisse des anderen zu respektieren. wie gern wüssten wir: findet er die neue kollegin attraktiv? amüsiert er sich mit seinen kumpels manchmal mehr als mit mir? oft ahnen wir die antwort. und haben dann das bedürfnis, doch alle haarklein zu diskutieren. häufig macht das aber nichts klarer, sondern verun-
sichert noch mehr.
es gibt eine simple regel, die ich gelernt habe und nach der ich mitt-
lerweile abwäge, ob ich bei einem thema nachhaken soll oder nicht....
ist sein geheimnis wichtig für die beziehung? oder nur für ihr? ist
letzteres der fall, können wir ins in einer unterschätzten disziplin üben: sich selbst zurücknehmen! selbst wenn ein ironischer kommen-
tar über seine ganz eigene vorstellung davon, was ein nichtraucher ist, auf der zunge brennt.....es tut überraschend gut, zu wissen und trotzdem zu schweigen. genau dafür werden wir geliebt!!!